Lauf, so schnell du kannst
angeschwollen. Als sie den Druck des Verbandes entfernte, pochte das Gelenk fürchterlich.
Es gab jedoch nichts, was sie dagegen tun konnte, daher schob sie den Schmerz beiseite und zog den linken Stiefel an. Auch er war nass, innen wie außen, ein weiterer Punkt für ihre Liste von Dingen, die sie ignorieren musste. Als Nächstes kam ihre Regenjacke, aber zumindest ließ sie sie nicht erschauern, als sie mit ihr in Berührung kam. Sie zog den Reißverschluss hoch, knöpfte die Jacke zu, zog die Kapuze hoch und war nun abmarschbereit, bis auf die Tatsache, dass sie sich auf dem Schlafpodest im ersten Stock befand und diese lange Leiter hinuntersteigen musste.
»Eine Reise von tausend Meilen«, murmelte sie und hüpfte zur Leiter.
Am schwersten war es, überhaupt auf die Leiter zu kommen. Sie musste sie erfassen, sich hinsetzen, mit dem linken Fuß eine Sprosse ertasten und sich dann hochstemmen und umdrehen. Sobald sie richtig darauf stand, hielt sie sich nur mit der Kraft ihrer Arme auf der Leiter, während sie mit dem linken Fuß eine weitere Sprosse hinunterging. Der Ablauf war nicht schön, aber er war effektiv.
Es war auch sehr anstrengend, weil ihr Körper seine Reserven noch nicht wieder aufgebaut hatte. Jeder Muskel in ihrem Körper zitterte, und sie atmete wie ein Blasebalg; gerade als sie sich der untersten Sprosse näherte, hörte sie das Kratzen einer Tür, die sich öffnete.
»Scheiß Nippel auf Eis!«
Wäre das verräterische Geräusch der Tür nicht gewesen, sie wäre bei dem heiseren, gedämpften Gebrüll von der Leiter gefallen. Angie klammerte sich fest und spähte durch die Sprossen zu ihm hinüber, wo er von den dunklen Schatten im hinteren Teil der Camphütte fast vollkommen verborgen wurde. Der Ausdruck ließ sie blinzeln. »Das hab ich ja noch nie gehört«, kommentierte sie leise. »Originell.«
Er kam in schnellen Schritten auf sie zu, seine Miene wirkte ungläubig und zornig zugleich. Er packte sie um die Taille und zog sie von der Leiter. Dann stellte er sie für eine kurze Sekunde ab, während er eine andere Haltung einahm und sich vorbeugte, um ihr den linken Arm unter die Knie zu legen und sie hochzuheben, wobei er sie fest an seinen nassen Regenmantel drückte. »Du hättest dir den verdammten Hals brechen können!«
»Habe ich aber nicht«, bemerkte sie mit unfehlbarer Logik, obwohl sie immer noch nach Atem rang. »Also habe ich Zeit gespart und dich geschont.« Sie legte ihm den linken Arm um den Hals und spürte ein KA
-
WUMM
-
artiges Schlagen in der Brust, als ihr Herz darauf reagierte, wie natürlich es ihr vorkam, so gehalten zu werden und die Arme um ihn zu schlingen.
Wenn überhaupt, sah er jetzt noch zorniger aus. »Dich die Leiter rauf- und runterzuschaffen kriege ich ja wohl noch hin.«
Er stand einfach nur da, statt sie nach draußen zu bringen, und ihre Anstrengung, die Leiter herunterzukommen, hatte die Situation noch schlimmer gemacht. »Ich habe deine Männlichkeit nicht infrage gestellt«, gab sie ungeduldig zurück. »Bring mich einfach nur raus aufs Klo. Jetzt pinkeln, anscheißen später.«
Weiter leise vor sich hin fluchend schritt er zur Hintertür. Es war keine normale Tür, sondern ein Teil der Wand, der ausgeschnitten und mit Angeln versehen worden war, und dabei von einer Holzbohle gesichert wurde, die in Stahlbügel geschoben wurde. »Halt deine Kapuze fest«, knurrte er. »Es ist immer noch stürmisch.«
Sie griff nach ihrer Kapuze und hielt sie fest, während er sich zur Seite drehte und sie durch die Tür manövrierte. Es war, als träte man unter einen Wasserfall. Der Regen war wie eine massive Wasserwand und hämmerte auf sie herab. Die Toilette stand an der Rückwand des Gebäudes, nur wenige Schritte entfernt, aber wenn sie keine Regenjacke getragen hätte, wäre sie in einer Sekunde durchnässt gewesen. Dare zog den Kopf gegen den Ansturm des Wassers ein, öffnete die Toilettentür und ließ Angie innen herunter. »Ich werde hier warten«, brüllte er, weil das Trommeln des Regens auf dem Plastikdach der Toilette wie, nun ja, eben wie ein richtiges
Trommeln
klang
.
Sie wollte ihm sagen, dass er nicht albern sein und wieder hineingehen solle, merkte aber, dass er keinen Millimeter weichen würde, ganz gleich, was sie sagte. Daher war es das Beste, keine Zeit zu verschwenden. Sie erledigte ihr Geschäft so schnell wie möglich, reinigte sich die Hände mit Desinfektionsgel und öffnete dann die Tür. Sie war wieder in seinen Armen und
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