Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lauf, wenn du kannst

Lauf, wenn du kannst

Titel: Lauf, wenn du kannst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Gardner
Vom Netzwerk:
Teufel mit Susan, diesem Sinnbild der Vollkommenheit. Und sogar zum Teufel mit der dunklen und gefährlichen Catherine Gagnon, die ihm mit den Fingernägeln über die Brust gefahren war, bis er gehechelt hatte wie ein übereifriges Schoßhündchen. Zum Teufel mit ihnen allen. Er brauchte keine anderen Menschen.
    Sondern nur ein Bier.
    Doch im nächsten Moment meldete die letzte funktionierende Zelle in seinem Gehirn, dass er, wenn er nicht sofort und auf der Stelle etwas unternahm, in der nächsten Kneipe landen würde. Und dann würde er etwas trinken.
    Bobby griff zum Telefon und führte ein Gespräch. Und dann ging er los, bevor er Gelegenheit hatte, es sich anders zu überlegen.
     
    Dr. Lane betätigte den Türdrücker und ließ ihn direkt in ihr Büro. Bei ihrer letzten Begegnung hatte sie einen Hosenanzug getragen. Hellbraune Hose, quadratisch geschnittene Jacke, eine elfenbeinfarbene Bluse. Nicht billig, wie Bobby vermutete, auch wenn ihm die Sachen nicht gefallen hatten. Zu männlich. So kleidete sich die erfolgreiche Managerin eines Großkonzerns für eine Vorstandssitzung. Es hatte nicht zu ihrem Lächeln gepasst.
    Da sie heute, an einem Samstagabend, losgeeilt war, um einen Polizeibeamten in Not zu retten, trug sie keine Bürokleidung, sondern wegen der eisigen Kälte dunkelbraune Leggings und einen dicken irischen Pullover aus Bändchengarn, der ihren Hals umschmiegte und ihr langes, kastanienbraunes Haar betonte. Sie sah aus, als sollte sie sich – entweder mit einem guten Buch oder mit einem gut aussehenden Mann – vor einem großen gemauerten Kamin räkeln.
    Diese Vorstellung empfand Bobby als ein wenig verstörend, und er stellte fest, dass er sie nicht ansehen konnte, als er den Schal abnahm und die Jacke auszog. »Kann ich Ihnen etwas zu trinken anbieten?«, fragte sie von der Tür ihres Büros aus. »Wasser, Kaffee, Limonade, heiße Schokolade ...«
    Bobby nahm eine Cola und lehnte das angebotene Glas ab. Sie ließ sich hinter dem Schreibtisch nieder. Er setzte sich auf die Kante desselben Ohrensessels wie am Freitagabend.
    »Danke für die Cola«, sagte er schließlich.
    »Gern geschehen.«
    »Tut mir leid, wenn ich Ihnen den Abend durcheinander gebracht habe.«
    »Kein Problem.«
    »Hatten Sie etwas vor?«, platzte er heraus.
    »Eigentlich wollte ich in eine Gärtnerei fahren und mir einen Ficus kaufen.«
    »Oh«, meinte er.
    »Oh«, stimmte sie zu.
    »Was war heute tagsüber?«, fuhr er unbeholfen fort. »Haben Sie da etwas unternommen?«
    Sie musterte ihn schmunzelnd. Nachdem er sich in der letzten Sitzung darüber beschwert hatte, benutzte er nun selbst Geplauder, um Zeit zu gewinnen, und das wussten sie beide. Kurz glaubte er, dass sie seinem Treiben ein Ende bereiten und ihn zwingen würde, auf den Punkt zu kommen, doch dann beantwortete sie seine Frage. »Offen gestanden habe ich heute nichts Interessantes gemacht. Eigentlich wollte ich joggen gehen, aber es war mir zu kalt. Dann habe ich überlegt, ob ich etwas kochen soll, aber ich war zu faul. Anschließend wollte ich ein Buch lesen, aber ich war zu müde. Also habe ich den Großteil des Tages damit zugebracht, über das Leben nachzudenken und nichts zu tun. Im Großen und Ganzen war es ein wunderschöner Tag. Und Sie?«
    »Ich habe den Tag damit zugebracht, Ihren Rat in den Wind zu schlagen.«
    »Ach, da sind Sie nicht der Erste. Wie sah denn das genau aus?«
    Er beschloss, kein Blatt vor den Mund zu nehmen. »Gestern Abend war ich in einer Kneipe.«
    Sie musterte ihn erwartungsvoll.
    »Ich habe Alkohol getrunken.«
    »Viel?«
    »Genug.« Er holte tief Luft. »Ich darf aber nicht trinken.«
    »Sind Sie Alkoholiker, Bobby?«
    »Ich weiß nicht.« Er musste wirklich über ihre Frage nachdenken und war nicht sicher, ob ihm die Antwort gefiel. »Das Leben ist schöner, wenn ich nicht trinke«, erwiderte er schließlich.
    »Ich nehme an, Sie haben bereits Erfahrung in diesem Bereich.«
    »Das kann man laut sagen.« Er ließ die Coladose zwischen den Fingern kreisen. Aus der Entfernung schien ihr Teppich eine üppige dunkelgrüne Farbe zu haben. Doch inzwischen sah er, dass er nicht einfarbig, sondern aus vielen unterschiedlichen Fäden gewebt war. Er war also nicht rein grün, sondern sah nur so aus.
    »Mein Vater hat früher getrunken«, erklärte er. »Viel. Jeden Abend. Er kam aus der Arbeit und ging sofort zum Kühlschrank, um sich ein kaltes Bier zu holen. Er fand, das helfe ihm beim Ausspannen. Was sind schon ein paar Biere? Das

Weitere Kostenlose Bücher