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Lauf, wenn du kannst

Lauf, wenn du kannst

Titel: Lauf, wenn du kannst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Gardner
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Staatsanwaltschaft zu gegenteiligen Ergebnissen kommt. Und dann?«
    »Dann wird es persönlich.«
    Als Bobby den Anwalt anstarrte, zuckte dieser die Schultern. »Im Grunde genommen ist es ein Spiel wie ›Er sagt/sie sagt‹. Sie behaupten, Sie hätten von einer ernst zu nehmenden Bedrohung ausgehen müssen. Die andere Seite hält dagegen, dass Sie sich irren. Um das zu belegen, werden sie in Ihrem Leben herumwühlen. Sie werden Ihre Familie mit hineinziehen. Waren Sie als Kind gewalttätig? Hatten Sie schon immer eine Schwäche für Schusswaffen? Sie werden sich mit Ihrem Privatleben beschäftigen – der junge alleinstehende Polizist. Gehen Sie in Kneipen? Haben Sie wechselnde Liebesbeziehungen? Prügeln Sie sich öfter? Ein Jammer, dass Sie nicht verheiratet und Familienvater sind. Was ist mit einem Hund? Sie haben nicht zufällig einen niedlichen Hund? Ein schwarzer Labrador oder ein Golden Retriever wäre optimal.«
    »Kein niedlicher Hund.« Bobby überlegte. »Ich vermiete eine Wohnung. Meine Mieterin hat Katzen.«
    »Ist Ihre Mieterin jung und hübsch?«, fragte Harvey argwöhnisch.
    »Eine ältere Frau mit festem Einkommen.«
    Harveys Miene erhellte sich sichtlich. »Ausgezeichnet. Einen Mann, der älteren Mitbürgern hilft, muss man einfach gern haben. Und das bringt uns zum Thema Ex-Freundinnen.«
    Bobby verdrehte entnervt die Augen. »Da gibt es einige«, räumte er ein. »Und welche von ihnen hasst Sie?«
    »Reine.«
    »Sicher?«
    Er dachte an Susan. Offen gestanden hatte er keine Ahnung, was sie empfand. »Nein«, hörte er sich sagen. »Sicher bin ich nicht.«
    »Die Gegenseite wird mit Ihren Nachbarn sprechen und in Ihrer Vergangenheit herumstochern. Außerdem werden sie nach Hinweisen auf Voreingenommenheit suchen. Dafür, dass Sie keine Schwarzen oder Latinos oder BMW-Fahrer mögen.«
    »Ich habe keine Vorurteile«, erwiderte Bobby, hielt inne und runzelte die Stirn, als ihm etwas Unangenehmes einfiel. »Die Festnahme wegen Alkohols am Steuer?«
    »Alkohol am Steuer?«
    »Ein paar Stunden zuvor am selben Tag. Der Kerl ist betrunken in einem Hummer herumgekurvt, hat einen Blechschaden verursacht und ist dann ausgetickt, als wir ihn einsperren wollten. Er glaubte, er müsste den dicken Maxe markieren. Es sind ... äh ... ein paar harte Worte gefallen.«
    »Worte?«
    »Ich habe ihn als reichen Schnösel bezeichnet«, entgegnete Bobby in sachlichem Ton.
    Harvey verzog das Gesicht. »Ja, das wird Ihnen schaden. Müsste ich sonst noch was wissen?«
    Bobby betrachtete seinen Anwalt eindringlich und überlegte, wie er sich ausdrücken und wie viel er verraten sollte.
    »Ich möchte nicht, dass mein Vater aussagt«, meinte er schließlich.
    Harvey musterte ihn neugierig. »Wir brauchen ihn nicht als Leumundszeugen zu benennen, wenn Sie das nicht wollen.«
    »Was ist, wenn die Gegenseite ihn benennt?«
    »Er ist Ihr Vater. Sie werden annehmen, dass er zu Ihren Gunsten aussagen wird, und auf ihn verzichten.«
    »Und wenn nicht?«, beharrte Bobby.
    Allmählich schwante Harvey Übles. »Was verschweigen Sie mir?«
    »Ich will nicht, dass er aussagt. Und damit basta.«
    »Wenn die Gegenseite Informationen besitzt, die mir fehlen, liegt die Entscheidung möglicherweise nicht bei uns.«
    »Und was wäre, wenn ... er verreist ist?«
    »Dann werden sie ihn vorladen. Und wenn er auf die Vorladung nicht reagiert, gilt das als Missachtung des Gerichts und kann strafrechtliche Folgen nach sich ziehen.«
    Das hatte Bobby befürchtet. »Und wenn ich nicht aussage?«
    »Dann verlieren Sie«, entgegnete Harvey schonungslos. »Dann wird, was die Ereignisse der fraglichen Donnerstagnacht betrifft, nur die Version der Gegenseite gehört, und die lautet, dass Sie einen Mord begangen haben.«
    Wieder nickte Bobby und ließ den Kopf hängen. Er blickte in die Zukunft und versuchte, über die eine Nacht hinauszusehen, in der er – Ehrenwort – getan hatte, was er hatte tun müssen. Die Zukunftsperspektiven waren nicht allzu vielversprechend.
    »Rann ich überhaupt gewinnen?«, fragte er leise. »Habe ich auch nur die geringste Chance?«
    »Es gibt immer eine Chance.«
    »Ich habe nicht so viel Geld wie er.«
    »Nein.«
    »Und ich habe auch nicht seine Anwälte«, fügte Bobby aufrichtig hinzu.
    »Nein«, antwortete Harvey ebenso ehrlich.
    »Aber Sie glauben, Sie könnten die Katastrophe noch abwenden?«
    »Wenn wir es schaffen, die Sache so lange zu verzögern, bis die Ergebnisse der Staatsanwaltschaft vorliegen, und wenn

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