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Lauf, wenn du kannst

Lauf, wenn du kannst

Titel: Lauf, wenn du kannst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Gardner
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schlechtes Zeichen war.
    »Also«, bemühte Harvey sich gerade, ihm klar zu machen. »Eine derartige Anhörung findet vor einem Richter im Bezirksgericht von Chelsea statt. Der Kläger wird Beweise dafür vortragen, dass Sie aller Wahrscheinlichkeit nach ein Kapitalverbrechen begangen haben. Und unsere Aufgabe ist es, diese Beweise zu widerlegen.«
    »Wie?«
    »Natürlich werden Sie selbst aussagen und erläutern, warum Gewalt mit Todesfolge Ihrer Ansicht nach in dieser Situation angebracht war. Außerdem rufen wir Ihre Kollegen auf, die in der fraglichen Nacht dabei waren. Den Dienst habenden Lieutenant. Wie war noch mal sein Name?«
    »Jachrimo.«
    »Wir werden Lieutenant Jachrimo in den Zeugenstand rufen. Weiterhin alle Kollegen, die unabhängig voneinander bestätigen können, Sie hätten guten Grund zu der Vermutung gehabt, dass Jimmy Gagnon seine Frau erschießen wollte.«
    »Es gibt keine unabhängigen Zeugen. Ich war der erste Scharfschütze am Tatort. Außer mir hat niemand etwas gesehen.«
    Stirnrunzelnd machte Harvey sich eine Notiz. »Werden Scharfschützen sonst nicht paarweise losgeschickt? Mit einem Kundschafter oder so ähnlich?«
    »Dazu hatten wir noch nicht genug Leute vor Ort.«
    Noch mehr Stirnrunzeln, weitere Notizen. »Tja, dann werden wir uns eben auf zwei Dinge konzentrieren. Erstens müssen wir Ihre Glaubwürdigkeit stärken, Ihre Ausbildung herausstreichen und Ihren Lieutenant zu Ihrem beruflichen Werdegang aussagen lassen. Wir müssen betonen, dass Sie ein hervorragend ausgebildeter und sehr erfahrener Scharfschütze der Polizei sind, der die Qualifikation besitzt, in derartigen Krisensituationen zu entscheiden.«
    Bobby nickte. Mit so etwas hatte er gerechnet. Bei STOP wurde jede Ausbildungseinheit gründlich dokumentiert, damit der Lieutenant, falls es eines Tages nötig werden sollte, nachweisen konnte, dass der betreffende Mitarbeiter über die angemessene Handlungskompetenz verfügte. Die Faustregel lautete, dass Dinge, die nicht Schwarz auf Weiß festgehalten wurden, auch nie geschehen waren. Und Lieutenant Bruni sorgte stets dafür, dass es auch für die kleinste Kleinigkeit schriftliche Belege gab.
    »Aber natürlich«, fuhr Harvey fort, »hat James Gagnon die Politik auf seiner Seite.«
    »Als Richter?«
    »Weil er Richter am Obersten Gerichtshof ist«, erwiderte Harvey und verzog das Gesicht. »Als Zivilkammer interessiert sich das Amtsgericht nicht sonderlich für die Frage, ob eine seiner Entscheidungen eine strafrechtliche Verfolgung nach sich zieht oder nicht. Das ist nämlich Aufgabe des Obersten Gerichtshofs. Betrachten Sie die Sache noch mal aus der Warte eines Amtsrichters. Ein Kollege, der außerdem Strafrechtsexperte ist, vertritt die Überzeugung, dass ein Kapitalverbrechen stattgefunden hat. Natürlich wird das die Entscheidung des Amtsrichters maßgeblich beeinflussen. Wenn der ehrenwerte James F. Gagnon von einem Mord ausgeht, tja, dann muss es wohl auch einer gewesen sein!«
    »Ist ja prima«, murmelte Bobby.
    »Aber wir haben noch ein paar Trümpfe im Ärmel«, sprach Harvey vergnügt weiter. »Wir können auf eine positive Entscheidung der Staatsanwaltschaft hoffen, die nach gründlichen Ermittlungen zu dem Schluss kommt, dass der Schuss gerechtfertigt war. Das wäre ein großes Plus für uns. Natürlich«, ergänzte er leise, »ist das vermutlich auch der Grund, warum Gagnon den Antrag so schnell eingereicht hat. Die Staatsanwaltschaft wird Wochen brauchen, um zu einem Ergebnis zu gelangen, weshalb Richter Gagnon versuchen wird, die Sache innerhalb weniger Tage durchzupeitschen. Dann steht es nämlich Aussage gegen Aussage, ohne dass die Ermittlungsergebnisse der Staatsanwaltschaft zum Tragen kämen.«
    »Geht das denn so rasch?«
    »Solange er das nötige Kleingeld hat, um die Überstunden seiner Anwälte zu bezahlen, kann er praktisch machen, was er will. Selbstverständlich werde ich mein Möglichstes tun, damit es zu Verzögerungen kommt. Allerdings ...« Harvey ließ den Blick durch sein zugestelltes Büro schweifen. Bobby folgte seinem Beispiel. Ein Ein-Mann-Unternehmen gegen Horden sündhaft teurer Staranwälte. Eine winzige Mansarde gegen eine holzvertäfelte Mammutkanzlei. Sie beide wussten, worauf sie sich einließen.
    »Also wird er die Sache beschleunigen wollen, während wir ihm möglichst viele Knüppel zwischen die Beine werfen«, meinte Bobby ruhig. »Er wird seine Erfahrung als Strafrichter in die Waagschale werfen, und wir hoffen, dass die

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