Lauf, wenn du kannst
bin ich nur zu diesen Empfängen gegangen, um meine Freundin zu unterstützen. Und vielleicht habe ich mit meiner Zeit Besseres anzufangen, als mir jeden Fremden zu merken, der mir zufällig über den Weg läuft.«
»Die Gagnons sind aber Leute, die man sich merkt«, sagte Casella.
Bobby machte eine wegwerfende Handbewegung. »Bringen Sie mir einen Menschen, der mich und Catherine Gagnon je allein gesehen hat. Einen Menschen, der beobachtet hat, wie Jimmy und ich eine Auseinandersetzung führten. Das können Sie nämlich nicht. Weil es nie geschehen ist. Denn ich hatte wirklich keine Ahnung, wer die beiden waren, als ich Jimmy Gagnon Donnerstagnacht erschoss. Es geschah einzig und allein deshalb, weil er mit einer Pistole auf seine Frau zielte. Ein Leben opfern, um ein anderes zu retten. Haben Sie das Handbuch für Scharfschützen nicht gelesen?«
Angewidert hielt er inne. Ohne sich darum zu kümmern, dass er dadurch nervös wirken könnte, stand er auf und begann, im Zimmer auf und ab zu gehen.
»Soweit ich informiert bin, haben Sie getrunken«, beharrte Copley.
»Nur an einem einzigen Abend.«
»Ich dachte, bei einem Alkoholiker genügt das.«
»Ich habe nie gesagt, dass ich Alkoholiker bin.«
»Ach, kommen Sie, zehn Jahre ohne einen einzigen Schluck ...«
»Mein Körper ist mein Tempel. Wenn ich nett zu ihm bin, ist er auch nett zu mir.« Bobby warf einen betonten Blick auf die eindeutig schwabbelige Taillenregion des Staatsanwalts. »Das sollten Sie auch mal ausprobieren.«
»Wir werden sie schon kriegen«, sagte Copley.
»Wen?«
»Catherine Gagnon. Wir wissen, dass sie irgendwie dahinter steckt.«
»Sie hat mich damit beauftragt, ihren Mann zu töten? Mord durch Polizeischarfschützen? Jetzt machen Sie mal einen Punkt ...«
Ein berechnendes Funkeln stand in Copleys Augen. »Wussten Sie, dass die Gagnons früher eine Haushälterin hatten?«
»Wirklich?«
»Marie Gonzales. Eine ältere Frau mit viel Berufserfahrung. Sie war in den letzten drei Jahren für die Gagnons tätig. Und können Sie sich denken, warum sie gefeuert wurde?«
»Da ich bis jetzt keine Ahnung von der Existenz dieser Haushälterin hatte, natürlich nicht.«
»Sie hat Nathan etwas zu essen gegeben. Ein Stück von ihrem Thunfischsandwich. Der Junge, der übrigens zehn Kilo Untergewicht hat, war hungrig. Also hat Marie ihr Sandwich mit ihm geteilt. Nathan hat das ganze Stück hinuntergeschlungen. Und am nächsten Tag hat Catherine Marie gefeuert. Niemand außer dem Kindermädchen darf Nathan etwas zu essen geben, auch nicht, wenn er noch so großen Hunger hat.«
Bobby sagte nichts, aber in seinem Gehirn ratterte es wieder.
»Wir vernehmen inzwischen die Kindermädchen«, fuhr Copley, fast beiläufig, fort. »Bis jetzt ist dabei eine Reihe seltsamer und hässlicher Geschichten ans Licht gekommen. Wie Catherine wochenlang verschwand. Wie Nathan krank wurde, sobald sie wieder auf der Bildfläche erschien. Dann die schmutzigen Windeln, die auf ihre Anweisung im Kühlschrank aufbewahrt wurden ...«
»Schmutzig?«
»Voll gekotet, um genau zu sein. Sechs Monate lang wanderte jede einzelne von ihnen direkt in den Kühlschrank. Und dann waren da noch die Diäten – listenweise Lebensmittel, die der Junge entweder nicht oder ausschließlich essen durfte. Dazu seltsame Mineralien, Kräuter, Nahrungsergänzungsmittel und Medikamente. Eins sage ich Ihnen, Officer Dodge, ich bin jetzt schon seit fünfzehn Jahren im Geschäft und habe so etwas noch nie gesehen. Zweifellos misshandelt Catherine Gagnon ihren Sohn.«
»Haben Sie Beweise?«
»Noch nicht, aber wir werden welche finden. Die Überwachungskamera war ihr erster Fehler.«
Wieder ein Köder, aber er konnte der Versuchung nicht widerstehen. »Überwachungskamera?«
»Im Elternschlafzimmer«, erklärte D.D. »Donnerstagnacht war sie abgeschaltet. Nur dass das laut Sicherheitsfirma gar nicht möglich ist.«
»Ich blicke da nicht mehr durch«, meinte Bobby auf richtig. Er blieb endlich stehen und kratzte sich am Nacken.
»Die Überwachungskamera im Schlafzimmer war so programmiert, dass sie sich automatisch um Mitternacht abschaltete. Stattdessen tat sie es wie durch Zauberhand jedoch bereits um zehn. Catherine hat uns ein Märchen aufgetischt, auf der Schalttafel habe sich die Zeit verstellt. Aber wir haben mit der Sicherheitsfirma gesprochen. Am Dienstag, als Jimmy die Scheidung eingereicht hat, hat er sich persönlich mit der Sicherheitsfirma in Verbindung gesetzt. Er sagte,
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