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Lauf, wenn du kannst

Lauf, wenn du kannst

Titel: Lauf, wenn du kannst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Gardner
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mit Angst oder verwirrt reagieren? Wieder betrachtete sie seinen Armanipullover und dann den Welpen – Trickster, er würde sich wohl für Trickster entscheiden – und beschloss, es komisch zu finden. »Klingt ja aufregend. Wie aus einem Spionagefilm.«
    »Das ist es auch. Und Sie?«
    »Ich bin seit kurzem geschieden. Mein Ex hatte Geld, und ich gebe es jetzt aus.«
    »Gratuliere. Keine Kinder zu versorgen?«
    »Glücklicherweise nicht. Vielleicht ist es ja auch Pech.
    Mit Kindesunterhalt lässt sich nämlich noch viel mehr herausschlagen.«
    »Wirklich ein Jammer«, stimmte er zu. Ihre Augen waren warm und leuchteten fast, als sie seine Brust liebkosten.
    »Wir können ja mal zusammen zum Essen gehen«, sprach er die Zauberformel aus. Wie ein Profi zückte die Frau sofort ihre Visitenkarte mit Namen und Telefonnummer. Er steckte sie ein und sagte, er werde sie anrufen.
    Inzwischen hob Trickster das Bein an einem Zeitungskiosk. Da das nicht sehr einnehmend wirkte, zog Mr Bosu an der Leine, und sie machten sich wieder auf den Weg. Erneut warf er einen Blick auf den Stadtplan. Sechs Häuserblocks später hatten sie ihr Ziel erreicht.
    Es war eine hübsche kleine Straße, die versteckt in einem Straßengewirr im Herzen von Boston lag. Offensichtlich ein reines Wohnviertel. Das Erdgeschoss beherbergte ein kleines Lebensmittelgeschäft, eine Blumenhandlung und einen winzigen Feinkostladen. Oben befanden sich die Wohnungen. Er zählte von links nach rechts, bis er die gesuchte Nummer gefunden hatte. Dann studierte er noch einmal seine Notizen.
    Alles in Ordnung.
    Er setzte sich auf eine Bank vor dem Lebensmittelladen. Als er auf den freien Platz neben sich klopfte, sprang Trickster hinauf und kuschelte sich an sein Bein. Dann stieß der Welpe einen langen, leisen Seufzer aus. Offenbar musste er sich von seiner harten Welpenarbeit erholen.
    Der Mann schmunzelte. Er erinnerte sich noch an seinen ersten Hund, Popeye, einen niedlichen kleinen Terrier, den sich sein Vater von einem Arbeitskollegen hatte aufschwatzen lassen. Seine Eltern waren zwar keine großen Hundefreunde gewesen, aber da ein Junge nun einmal einen Hund brauchte, hatten sie eben einen angeschafft. Mr Bosu wurde die Gesamtverantwortung übertragen, und seine Mutter lernte, zu seufzen und heftig zu blinzeln, wenn Popeye ihre Lieblingsschuhe zerkaute und die Plastikschutzhülle des Sofas bearbeitete. Popeye war ein guter Hund gewesen. Sie waren zusammen durchs Viertel gestreift, hatten stundenlang Verstecken gespielt und waren in riesigen Laubhaufen herumgetollt.
    Mr Bosu wusste, was die Menschen von einem Kerl wie ihm erwarteten, aber er hatte seinem Hund nie ein Haar gekrümmt. In dem stillen kleinen Haus, in dem er aufgewachsen war, war Popeye ganz eindeutig sein bester Freund gewesen.
    Die Freundschaft hatte fünf Jahre gedauert. Bis zu dem Tag, an dem Popeye einem Eichhörnchen nach und auf die Straße gelaufen war, wo Mrs Mackeys Buick ihm den Garaus machte. Mr Bosu erinnerte sich noch an Mrs Mackeys Entsetzensschrei und daran, wie er den Todeskampf seines kleinen Hundes beobachtet hatte. So schlimm war es gewesen, dass die Frage, ob man Popeye zum Tierarzt bringen sollte, überhaupt nicht aufgekommen war.
    Mr Bosu hatte Popeye in sein Lieblings-T-Shirt gewickelt. Dann hatte er im Garten ein Loch gegraben und den Hund ganz allein beerdigt. Sein Vater war sehr stolz auf ihn gewesen.
    An jenem Abend war Mr Bosu früh zu Bett gegangen, aber er hatte nicht einschlafen können. Mit offenen Augen lag er in seinem breiten Bett und wünschte, sein Hund würde wieder zu ihm zurückkehren. Dann hatte er eine Idee.
    Kurz nach ein Uhr morgens schlich er sich aus dem Haus. Es dauerte nicht lang. Die Leute parkten ihre Wagen auf der Straße, und in einem Viertel wie diesem schloss niemand die Wagentüren ab. Er öffnete die Motorhaube und bohrte mit einem Schraubenzieher ein paar Löcher. Es war ganz einfach und machte auch keinen Schmutz.
    Es hieß, für Mrs Mackey sei es gekommen wie ein Blitz aus heiterem Himmel. Vor der Kreuzung habe sie gebremst und schon im nächsten Moment mit Vollgas das Stoppschild überfahren, sodass sie mit fünfzig Stundenkilometern in den Gegenverkehr geraten sei. Das Ergebnis waren eine Gehirnerschütterung, einige gebrochene Rippen und nicht zu vergessen ein Hüftbruch.
    Allerdings überlebte sie. Verdammter Buick.
    Trotzdem nicht schlecht für einen Zwölfjährigen. Natürlich hatte er seine Methoden seitdem verbessert.
    Nun

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