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Lauf, wenn es dunkel wird

Lauf, wenn es dunkel wird

Titel: Lauf, wenn es dunkel wird Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: April Henry
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weißt.«
    »Meine Nummer von zu Hause ist fünf null drei -«
    »Langsam, langsam«, sagte Roy. Griffin sah, dass sein Dad kein Blatt Papier oder sonst irgendwas zum Schreiben hatte. Roy ging raus und wühlte in der Kramschublade in der Küche herum.
    Griffin war mit Cheyenne alleine.
    Sie sah nicht gut aus, fand Griffin. Ihre Wangen waren rot, aber der Rest ihres Gesichts war bläulich weiß, wie entrahmte Milch. Und dann fing sie wieder mit Husten an. Starker, feuchter Husten, als würde etwas in ihrer Brust reißen. Man konnte die Sehnen an ihrem Hals sehen. Griffin drehte sich zum Schrank, um Cheyenne noch etwas Wasser zu geben, aber das Glas stand nicht mehr da. Obwohl er sicher war, dass er es dort hatte stehen lassen. Er ging in die Küche, ein anderes holen. Auf dem Weg kam ihm Roy mit einem Bleistiftstummel und einem Stück abgerissenem Papier entgegen.
    Die Küche sah aus wie immer. Aber die Vorstellung, was Cheyenne davon halten würde, wenn sie den Raum sehen könnte, ließ ihn die Küche mit anderen Augen betrachten. In der Spüle stapelte sich dreckiges Geschirr. Auf dem Herd stand auf jeder Kochstelle eine Pfanne, in der irgendwelche Essensreste am Boden klebten. Die Arbeitsplatte war mit leeren Konservendosen, geöffneten Cornflakes-Schachteln, umgekippten Bierflaschen und überquellenden Aschenbechern vollgemüllt. Hier wurde nur gespült, wenn Griffin so angeekelt war, dass er es nicht länger ertrug. Dumm daran, dass er gelegentlich aufräumte, war bloß, dass Roy es inzwischen von ihm erwartete.
    Es standen keine sauberen Gläser mehr im Schrank, also nahm Griffin eines, das nicht allzu schmutzig aussah, und spülte es aus, bevor er kaltes Wasser hineinlaufen ließ. Als er damit ins Zimmer zurückkam, würgte Cheyenne gerade Telefonnummern hervor, die sein Dad aufschrieb. Griffin wartete, bis sie fertig waren.
    Nachdem Roy die letzte Nummer aufgeschrieben hatte, ging er aus dem Zimmer und winkte Griffin mit sich.
    »Du bleibst hier und passt auf sie auf«, sagte er im Flur leise zu Griffin. »Ich muss einen Vertrag für ein Handy abschließen, das nicht geortet werden kann. Und dann werde ich ein paar Anrufe machen.«
    »Kann ich nicht mitkommen?«
    »Jemand muss bei ihr bleiben.« Roy ruckte mit seinem Kinn in Cheyennes Richtung. Sie schien zu ihnen zu starren. Griffin fragte sich, wie viel sie wohl hören konnte. Hieß es nicht immer, dass die anderen Sinne schärfer wurden, wenn man blind war?
    Roy lief den Flur hinunter und Griffin ging in sein Zimmer zurück. »Ich hab dir noch etwas Wasser geholt.«
    Sie antwortete ihm nicht sofort. Er hörte, dass die Haustür ins Schloss fiel, und begriff, dass sie darauf gewartet hatte. Darauf, dass sie allein waren.
    »Du musst meine Hände losbinden, damit ich selber trinken kann.« Es war unheimlich, wie ihre dunklen Augen ihn anstarrten. »Das letzte Mal bin ich fast erstickt.«
    Er überlegte, ob es ein Trick war. Aber ihr Fuß war am Bett festgebunden. Und sie würde in einem fremden Haus wohl kaum weiter als ein paar Meter kommen, bevor er sie überwältigt hätte. Dann dachte er daran, wie sie sich im Auto gegen ihn gewehrt hatte.
    »In Ordnung. Aber vergiss nicht, dass ich noch immer die Pistole habe. Wenn du auch nur dran denkst, was anzustellen, erschieß ich dich.« Seine Worte waren so klischeehaft, dass er Angst hatte, laut loszulachen, als er sie aussprach. Aber stattdessen klang er abgebrüht. Es hörte sich echt an. Furcht einflößend.
    Irgendwie mochte er das.
    Griffin holte sein Taschenmesser raus - seine Finger streiften dabei den Griff des Zigarettenanzünders - und er zerschnitt den Schnürsenkel um Cheyennes Handgelenke. Sie musste ihre Hände hin- und hergedreht haben, denn der Schnürsenkel war ausgefranst. Eine Weile rieb sie ihre Handgelenke. Zuerst dachte er, sie würde absichtlich übertreiben, aber dann sah er die roten Linien darum.
    Griffin gab ihr das Glas in die Hände, sie trank es in einem Zug aus und hielt es ihm dann wieder hin. »Kann ich bitte noch mehr haben?«
    Er wollte erst Nein sagen, überlegte es sich dann aber anders. Also ging er in die Küche und ließ das Wasser laufen. Dann flitzte er auf Zehenspitzen zurück und beobachtete Cheyenne. Er hatte geglaubt, dass sie wahrscheinlich versuchen würde, ihren Fuß loszubinden, aber sie rieb sich noch immer die Handgelenke. Niedergeschlagen sah sie aus. Unerwarteterweise enttäuschte ihn das. Er ging zurück in die Küche und füllte das Glas endlich ganz

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