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Laugenweckle zum Frühstück

Laugenweckle zum Frühstück

Titel: Laugenweckle zum Frühstück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E Kabatek
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zu bringen. Im Gegenteil. Er presste seine Lippen fest und ausdauernd auf meine. Ein Wangenkuss hätte niemals so lange gedauert.
    Und dann stand Leon auf, grinste, ohne einen Ton zu sagen, und ließ mich sitzen. Klapp. Die Tür fiel ins Schloss. Rotkäppchen war gegangen.
    Ich starrte ihm mit offenem Mund hinterher.
    Ich meine, wo gibt’s denn so was! Was man angefangen hat, muss man doch zu Ende bringen! Typisch Mann! Macht sich einfach aus dem Staub!
    Ich blieb auf dem Boden sitzen. Ich musste den Kuss analysieren. Was war das nun gewesen? Ein brüderlicher Al-les-nicht-so-schlimm-Kuss? Ein feierlicher Schön-dass-wiruns-wieder-vertragen-Kuss? Ein mitleidiger Adieu-mach’s-gut-in-der-Klapse-Kuss? Oder ein vorbereitender Irgendwann-will-ich-Zungenkuss? War der Kuss zufällig verrutscht oder absichtlich? Wie konnte mich Leon nur so durcheinanderbringen! Er wusste doch, dass ich noch nicht richtig genesen war! Ich meine, ich hatte doch gar keine Abwehrkräfte!
    Unterdessen ließen meine wilden Gedankengänge das Joghurt ziemlich kalt. Es tropfte gleichmütig weiter von der Wand. Außerdem konnte ich im Sitzen nicht denken. Ich stand auf und holte einen Lappen aus der Küche. Der Lappen war blau beschichtet und hinterließ blaue Streifen auf den rosa Flecken, das war aber nicht so schlimm, weil man die Raufasertapete überstreichen konnte. Bestimmt hatte ich noch irgendwo einen Rest weißer Farbe. Mit dem Fußboden war es schon schwieriger. Auf dem hellen Teppich sah man einfach alles. Auch Kirschjoghurt. Ich würde mir ein Fleckenmittel besorgen müssen. Meine Vermieterin hatte sich bisher nicht durch besondere Toleranz ausgezeichnet.
    Ich beschloss, das Nachdenken über den Kuss auf später zu verschieben, und wählte Katharinas Nummer. Frank nahm den Hörer ab.
    »Hallo Schwägerin. Bist du wieder gesund?«
    »Woher weißt du, dass ich krank war?«
    »Wir haben deine fette Freundin gestern im Krankenhaus getroffen.«
    »Pfui, Frank, was bist du ekelhaft! Sie ist nicht fett! Allenfalls etwas mollig!«
    »Gut beinander, wie der Schwabe so schön sagt. Sie hat erzählt, dass es dich ziemlich reingehauen hat.«
    »Gestern lag ich im Delirium. Heute geht es schon viel besser. Was macht das Dorle?«
    »Warte, ich geb dir deine Schwester.«
    Ich hörte, wie Frank nach Katharina brüllte, während sich im Hintergrund Lena und Salo zankten. Warum war es unmöglich, mehr als drei Sätze mit Männern zu wechseln, die mit Frauen/Freundinnen in einer Wohnung lebten? Meistens sagten sie nur »Hallo« und übten sich dann im Telefonweitwurf, egal ob die Frau/Freundin gerade fernsah, Kinder wickelte, kochte oder auf dem Klo saß. Welcome back, Neandertaler. Die Frauen telefonieren und die Männer reparieren die Fahrräder.
    »Hallo Schwesterlein. Geht’s dir besser? Lila hat erzählt, dass du hohes Fieber hattest.«
    »Katastrophen-Gene vergehen nicht. Ich bin schon fast wieder fit. Wie geht’s Dorle?«
    »Vater bringt sie heute Nachmittag in die Reha.«
    »Heute schon? Dann sehe ich sie ja gar nicht mehr.«
    »Sie weiß ja, dass du krank bist. Die meinten im Krankenhaus, man müsste jetzt so schnell wie möglich mit den Sprach- und Bewegungsübungen anfangen, und zufällig war irgendwo im Schwarzwald in einer Klinik ein Platz frei. Das ist natürlich praktisch, weil Wochenende ist und Vater sich um sie kümmern kann. Er holt sie nachher vom Bürgerhospital ab und bringt sie heim, hilft ihr beim Packen und fährt sie dann hin.«
    Vater half ihr beim Packen? O je. Das konnte was werden. Hoffentlich war Dorle fit genug, um ihm Anweisungen zu geben. Sonst würde sie sich am Ende vermutlich ohne eine einzige Unterhose in der Reha wiederfinden.
    »Wie lange bleibt sie da?«
    »Erstmal vier Wochen. Der Arzt meinte, dann müsste man weitersehen, aber Dorle ist fest entschlossen, nach vier Wochen mit der Reha fertig zu sein, damit sie heimkommen und ihren Achtzigsten vorbereiten kann.«
    Dorles Achtzigster. Den hatte ich völlig verdrängt. Es war zwar schön, dass sie ihn erleben würde, aber auf das dazugehörige Brimborium hätte ich gerne verzichtet. Eine Menge liebreizender Menschen, die mich schon bei der legendären Hochzeitsfeier meiner Eltern auf den Armen geschaukelt hatten und von daher gewisse Privilegien für sich in Anspruch nahmen, würden sich um mich scharen und mir diskrete Fragen stellen wie »Ha, willsch net langsam heirada?« und »Wo schaffsch du nomole?« oder aber aktive Lebenshilfe geben wie »Woisch, en daim

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