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Laugenweckle zum Frühstück

Laugenweckle zum Frühstück

Titel: Laugenweckle zum Frühstück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E Kabatek
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unten im Talkessel. Ich zischte in halsbrecherischem Tempo die Reinsburgstraße hinunter und musste nur ein einziges Mal einen scharfen Haken nach links schlagen, als ein Autofahrer wie üblich ohne zu gucken seine Tür aufriss.
    Irgendwo im Labyrinth der Bahnsteige am U-Bahn-Knotenpunkt Charlottenplatz musste ein Automat für Passfotos stehen, ich konnte mich nur nicht genau erinnern, wo. Ich rollte Rolltreppen hinauf und lief Stufen hinunter. U1 Richtung Fellbach. U4 Richtung Untertürkheim. Wo stand das blöde Ding nur? Ich bog um die Ecke und wurde von einer Rolltreppe ausgebremst, die mit einem Putzeimer verbarrikadiert war. Ein Mann im blauen Arbeitsanzug rannte, einen Putzlappen in der rechten Hand, die Rolltreppe hinauf und weichte dabei die Rolltreppenwand mit dem feuchten Lappen ein. Er musste also schneller rennen, als die Rolltreppe fuhr. Sobald er oben angekommen war, rannte er die normale Treppe wieder hinunter und sauste dann erneut nach oben, nachdem er den Lappen im Eimer ausgewrungen hatte. Ich blieb fasziniert stehen. War das jetzt ein Ein-Euro-Job oder trainierte er für
Let’s putz
, die jährlich von OB Schuster anberaumte Großsäuberungsaktion? Zu guter Letzt zog er die tropfenden Seiten mit einem Fensterabzieher ab. Ob in anderen Städten wohl auch die Rolltreppen gewienert wurden?
    Ich keuchte die Treppe zu Fuß hinauf. Ich war wirklich nicht besonders gut in Form. Oben fand ich den Automaten endlich neben dem Servicecenter der Stadtbahnen. Ich schickte ein Kurzgebet zum Himmel und bat den lieben Gott, dem Katastrophen-Gen eine kleine Pause zu gönnen.
    Der Automat sah aus, als könne man nicht so viel falsch machen. Zunächst musste man einen fünf Euro-Schein in einen Schlitz stecken, der Schein wurde angesaugt wie von einem Staubsauger, und dann stellte eine freundliche Frauenstimme jede Menge Fragen und machte Vorschläge. Ob man ein Foto wolle oder mehrere und vier gleiche oder vier verschiedene und farbig oder schwarzweiß ...? Ich wollte vier verschiedene Fotos und gab mir ziemlich viel Mühe. Vielleicht konnte ich ja noch ein Foto für eine Kontaktanzeige nutzen. Ich drehte also den Kopf prüfend hin und her und lächelte und guckte ernst und einmal verträumt und einmal melancholisch, manchen Männern gefällt das ja, und manchmal ließ ich das Bild wiederholen. Ich war bestimmt eine Viertelstunde beschäftigt, dabei war es eigentlich ziemlich eklig in der Kabine. Auf dem Boden lag viel Müll und die Wände waren mit Graffitis beschmiert.
    Ich wartete vor der Kabine. Nach drei Minuten blinkte es am Ausgabenschlitz rot, es blinkte und blinkte,
Freude, schöner Götterfunken
ertönte und endlich kam der Abzug heraus. Leider war mein Kopf auf allen vier Fotos abgeschnitten. Ich sah aus wie ein Eierbecher, weil ich den Drehstuhl zu hoch eingestellt hatte. Ich stellte mir vor, dass die kleinlichen Seniorenheime über solch ein Eierbecherfoto sicherlich missbilligend den Kopf schütteln würden.
    Also musste ich nochmal Fotos machen. Da ich keinen 5-Euro-Schein mehr hatte, kaufte ich bei Bäcker Nast eine Laugenbrezel, um einen 20-Euro-Schein zu wechseln. Ich ging zurück zum Automaten, langsam ging es mir auf die Nerven, ich verzichtete auf die Melancholie und machte nur ein Foto mit dem strahlenden Lächeln, das ich vor dem Spiegel geübt hatte. Es sah ein wenig eingefroren aus. Und dann wartete ich. Es blinkte und blinkte und wollte überhaupt nicht aufhören zu blinken. Irgendwann hörte es dann aber doch auf, ohne dass Beethoven sich noch einmal gemeldet hätte. Darauf hätte ich ja verzichten können, bloß war leider auch kein Abzug aus dem Schlitz gekommen.
Aaargg
!! Ich steckte den Kopf in die schmuddelige Kabine und schrak zusammen, als mir die Frauenstimme direkt ins Ohr säuselte: »Leider gibt es eine kleine Betriebsstörung. Bitte rufen Sie unsere Servicehotline an.«
    Mittlerweile musste ich mich beherrschen, um mit meinem süddeutschen Temperament nicht auf den Automaten einzuschlagen. Glücklicherweise gab es direkt neben dem Automaten noch einen zweiten, und ich hatte ja noch einen 5-Euro-Schein. Aber dieser Kollege nahm keine Scheine, sondern nur Münzen. Da meine Münzen nicht ausreichten, ging ich wieder zu Nast und kaufte noch eine Brezel, um an Kleingeld zu kommen. Die Verkäuferin sah mich schon etwas seltsam an. Der zweite Automat war noch lädierter als sein Kumpel und innen saudreckig. Der Vorhang war abgerissen, so dass alle Passanten zusahen, wie ich da drin

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