Laugenweckle zum Frühstück
»Mir nix Mexikaner. Schwäbische Türke.«
»Türke?« Ich sah ihn verständnislos an. Aynur kicherte. »Warum haben Sie dann keinen Dönerstand?«
Erol warf mir einen vernichtenden Blick zu. »Zu viel Döner. Iberall in Stuttgart Döner. Döner hier, Döner da. Döner nur für Mafia. Kannsch nix verdiene. Musch was Neies probiere.«
»Und, wie laufen die Geschäfte so?« Bisher hatte sich noch niemand blicken lassen, der einen Taco zum Mittagessen verspeisen wollte, während nebendran beim Metzger ein nicht abreißender Strom von Kunden zu beobachten war. Erol zuckte mit den Schultern.
»Hammer grad erscht aufgemacht. Musse habe bissle Geduld. Wenn du anziehe kurze Röckle und gut singe, Geschäfte laufe gut. Also, singe!«
Ich überlegte kurz, ob ich Erol bitten sollte, den Text zu googlen, aber ein PC war nicht zu sehen. Also holte ich tief Luft und begann zu singen: »La Cucaracha, la cucaracha, ya no puede caminar. Piña Colada, con Coca-Cola, schubidubidubida!«
Ich war mir nicht sicher, ob ich den richtigen Ton getroffen hatte, aber die Tatsache, dass weder Aynur noch Erol des Spanischen mächtig waren, verschaffte mir einen eindeutigen strategischen Vorteil.
»Säär gut, säär gut!« Erol klatschte in die Hände und Aynur lachte. »Jetzt zweite Strophe!«
Langsam kam ich in Fahrt. »La Cucaracha, la cucaracha, ya no puede caminar. Patatas bravas, cómo te llamas, buenos díiiias!« Den Schluss schmetterte ich mit einer Inbrunst, die ich mir selber nicht zugetraut hätte. Erol schlug sich vor Begeisterung auf die Schenkel und Aynur klatschte die Teigfladen im Rhythmus auf den Tresen, dass das Mehl in alle Richtungen stob.
»Alles paletti, du gleich anfange!«
»Prima«, sagte ich, »vielleicht könnten wir noch kurz über das Thema Bezahlung sprechen?«
Erol legte mir einen fleischigen Arm um die Schulter und drückte einmal kräftig. Mir blieb die Luft weg und mir war nicht klar, ob das als Drohung oder vertrauensvolle Geste gemeint war.
»Heit mal gucke. Später spreche iber Geld.« Als er meinen zweifelnden Blick sah, tippte er mich mehrmals mit dem Zeigefinger an. »Erol bscheißt net!«
In diesem Augenblick klingelte das Telefon. Aynur nahm ab, schrieb etwas auf und reichte Erol den Zettel über den Tresen. Erol strahlte.
»Da, guck, erschde Auftrag!«
»Mit oder ohne Singen?«
»Des fragsch immer Kunde.«
Während Aynur in hektische Aktivitäten verfiel, um die bestellten Tacos zu fabrizieren, drückte mir Erol einen Stadtplan in die Hand. So viel zum Thema Navigationsgerät. Auf dem Zettel stand Baumaiste-Weg, und nach einigem Suchen fand ich im Index einen Baumeisterweg am Killesberg. So schwer schien es nicht zu sein, da hinzufinden. Die Tacos waren in Windeseile fertig, ein verführerischer Duft nach Hühnchen breitete sich aus und mir fiel ein, dass ich noch nicht gefrühstückt hatte. Erol sagte blitzschnell etwas auf Türkisch zu Aynur, die langte unter den Tresen und zog einen leicht eingedellten Sombrero in Orange hervor, den sie Erol reichte. Erol beulte das Ding mit seiner großen Pranke aus und stülpte es mir dann kommentarlos auf den Kopf, dann winkte er mir, ihm zu folgen. Er stellte die Wärmebox in den Kofferraum des Smart – konnte man diese Schuhschachtel als Kofferraum bezeichnen? – und drückte mir die Rechnung und den Schlüssel in die Hand.
»Sodele, jetzetle, dalli, dalli! Kunde warte!«
»Kein Problem!«
Dynamisch stieg ich ins Auto ein. Jetzt kam es darauf an, einen entspannt-effizienten Eindruck zu machen. Ich war noch nie Smart gefahren, aber so schwer konnte das ja nicht sein. Eigentlich war ich seit zwei Jahren überhaupt nicht Auto gefahren. Leider fand ich kein Zündschloss. Vielleicht starteten Autos ja mittlerweile auf Zuruf? Erol stand ungeduldig auf dem Bürgersteig. Ich wollte die Scheibe herunter drehen, aber die ging automatisch. Wenn man die Zündung fand.
Ich öffnete die Fahrertür und versuchte, cool zu wirken.
»Erol, hat dieses Auto ein Zündschloss?«
Erol verdrehte die Augen. »Zacki, zacki, Kunde warte!« Er riss mir den Schlüssel aus der Hand, beugte seinen Fleischberg über mich, so dass ich in den unmittelbaren Genuss seines strengen Körpergeruchs kam, und stopfte den Schlüssel in die Zündung. Das Schloss befand sich erstaunlicherweise da, wo bei anderen Autos die Handbremse war.
»Prima, danke«, sagte ich und startete den Wagen. Bloß, wo waren die Gänge? Es gab zwar einen Schalthebel, auf dem stand aber nur +, -, N
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