Laugenweckle zum Frühstück
Wahrscheinlich war es ein spanisches Restaurant oder eine Bar. Aber wieso dann der Führerschein?
7 schokee: Umgangsprachl. Kurzform von schwäbisch ischokee = alles in Ordnung. Nicht zu verwechseln mit schoklar = Kurzform von ist schon klar oder schoklad = Schokolade.
5. Kapitel |
Freitag
’cause you had a bad day
Am nächsten Morgen warf ich um halb acht einen Blick auf den Wecker und drehte mich genüsslich um. Bis zwölf Uhr hatte ich ja ewig Zeit. Heute würde ich Geld verdienen, das war eine ziemlich angenehme Vorstellung.
Als ich das nächste Mal aufwachte, war es draußen taghell und der Wecker zeigte 11.10 Uhr. Das durfte doch nicht wahr sein! Ich sprang aus dem Bett, duschte blitzschnell, kippte eine Tasse Kaffee in mich hinein und sauste die Treppen hinunter. Unten angekommen fiel mir ein, dass ich meinen Führerschein vergessen hatte. Also rannte ich die fünf Stockwerke wieder hoch und kam schweißgebadet oben an. Ich fand den Führerschein erst nach einigem Suchen, weil ich sehr selten Auto fuhr. Als ich ihn endlich hatte, war es zehn vor zwölf. Wenn ich pünktlich sein wollte, musste ich den ganzen Weg rennen. Das Rad hatte ich am Vortag in den Keller gestellt und es würde zu lange dauern, es hochzutragen. Ich raste die Treppe hinunter, immer zwei Stufen auf einmal nehmend, vorbei an Frau Müller-Thurgau, die ihren Mund öffnete und gleich wieder zumachte.
Zufälligerweise kam auf der Schwabstraße gerade ein 42er-Bus. Jetzt musste ich mich entscheiden zwischen zwei Stationen Busfahren und Laugenbrötchen vom Bäcker an der Ecke. Da ich meine Karriere nicht gefährden wollte, wählte ich den Bus.
Um zwei nach zwölf bog ich in die Vogelsangstraße ein. An der Kreuzung zur Hasenbergstraße standen ein alter verrosteter Fiat und ein Smart. Auf beiden Autodächern waren riesige breitkrempige Plastiksombreros installiert, auf dem Smart war er rosa und auf dem Fiat grün. Auf den Autos stand »La Cucaracha – Tacos & Enchiladas, Mexican Takeaway«. Aha, deshalb also der Führerschein. Komisch, die beiden Autos waren mir im Westen noch nie aufgefallen. Zur Straße hin gab es ein Fenster für den Verkauf, dahinter stand eine nicht mehr ganz junge Frau, die ebenfalls einen Sombrero in Quietschgelb trug, dazu einen ziemlich unpassenden weißen Kittel. »Buenos días, yo hablar con el jefe, por favor«, sagte ich atemlos. Diesen Satz hatte ich mir am Abend zuvor noch zurechtgelegt und auswendig gelernt, um Eindruck zu schinden.
Die Frau sah mich verständnislos, aber nicht unfreundlich an, drehte sich dann um und brüllte: »Erol!« Ein Mann tauchte auf. Für einen Mexikaner schien er mir ziemlich groß zu sein, aber die dunklen Haare und der Schnauzbart passten. Außerdem hatte er einen ziemlich dicken Bauch, dicke fleischige Arme und war sombrerolos. Er winkte mich herein. Drinnen standen ein paar wacklige Tische und Plastikstühle in Orange. Die Frau hatte mittlerweile hinter dem Tresen begonnen, Teig auszuwellen. Sonst war niemand zu sehen.
»Hallo, ich bin Erol.« Ein kräftiger und ziemlich schweißiger Händedruck. »Meine Frau, Aynur.« Er deutete auf die Frau mit dem Sombrero.
»Hallo, ich bin die Line«, sagte ich. Der Mexikaner an sich schien sich gern mit Vornamen anzureden, was mir recht sein sollte.
»Du kennen Stuttgart?«
»Wie meine Westentasche«, sagte ich stolz. Das stimmte nicht so ganz, weil ich mich hauptsächlich im Westen aufhielt, aber sicher hatte der Smart einen Navi. Ich musste nur darauf achten, dass ich damit fuhr und nicht mit dem klapprigen Fiat.
»Also, deine Arbeit sein, Tacos zu Kunde fahre. In Wärmebox. Musse trotzdem schnell gehe. Kunde Eile, Eile. Wenn Kunde mehr bezahle, du singen
La Cucaracha
. Koste zwei Euro mehr. Kannse spanisch? Kannse singe? Du vormache.«
O mein Gott. Das waren also die Spanischkenntnisse. Ich konnte mich nicht erinnern, dass ich bei einem Vorstellungsgespräch schon mal hatte singen müssen. Ich schluckte. »Haben Sie vielleicht irgendwo den Text?« Erol schüttelte den Kopf. Ich dachte verzweifelt nach. Es ging um eine Küchenschabe, so viel war klar. Das Einzige, was mir zum Thema Küchenschabe liedmäßig einfiel, war »Alles was ich habe, dummdummdummdummdumm, ist meine Küchenschabe, dummdummdummdummdumm, sie sitzt auf meinem Oooofen, da kann sie ruhig pooofen.« Das war aber vermutlich nicht das Lied, das Erol hören wollte.
»Aber als Mexikaner müssten Sie doch den Text halbwegs kennen?«
Erol schüttelte den Kopf.
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