Laugenweckle zum Frühstück
als ich um zehn Uhr endlich guten Gewissens aufstehen konnte. Ich hatte ordentlich Kohldampf. Kein Wunder. Am Vortag hatte ich mich nur von einem Taco ernährt. Schnell lief ich zum Bäcker um die Ecke. Dort stand die übliche Wochenendschlange. Mit knurrendem Magen sah ich zu, wie vor mir Unmengen an Laugenbrezeln, Mohnwecken und normale Weckle in Papiertüten verschwanden. Man hätte meinen können, die Bäckereifachverkäuferinnen hätten einen unbefristeten Streik angekündigt. Vor mir stand ein brav aussehender Anfangszwanziger mit ordentlich gezogenem Scheitel.
»Was ist denn ein Nusskäpsele?«, fragte er die Verkäuferin in astreinem Hochdeutsch und deutete auf das Schild in der Auslage, »Nusskäpsele 2,50 Euro«.
»Also, a Käpsele isch ebbr, der saumäßig gscheid isch«, sagte die Verkäuferin. »A Käpsele halt. Ond a Nusskäpsele isch dess do.« Sie deutete auf einen mit Schokolade überzogenen Rührkuchen in einer Alukastenform, der mit Mandelstiften dekoriert war. Der junge Mann schüttelte den Kopf und orderte zwei Laugenbrezeln. Offensichtlich traf das Käpsele nicht seinen Geschmack.
Zu Hause belegte ich meine zwei Laugenbrötchen mit Salami und verschlang sie gierig. Um kurz vor elf klingelte das Telefon. Es war Lila. »Ich habe dich doch nicht geweckt?«, fragte sie. Lila kannte meine Gewohnheiten und gehörte selber zu den unerträglichen Menschen, die auch am Wochenende um halb acht aufstanden, bester Laune waren und den ganzen Tag mit unglaublich sinnvollen Tätigkeiten wie Meditation, Einkaufen für gehbehinderte Nachbarinnen oder Töpfern ausfüllten. Das war der Hauptgrund, warum ich bisher noch nie mit Lila in Urlaub gefahren war.
Ich schluckte einen Salamilaugenbrötchenbissen hinunter und lachte triumphierend. »Nein, natürlich hast du mich nicht geweckt. Ich habe schon die Kehrwoche gemacht, einen Kuchen gebacken und den kompletten Wirtschaftsteil der
FAZ
gelesen, unter der Woche kommt man ja nicht dazu.«
Auf der anderen Seite der Leitung blieb es einen Moment lang still. »Seit wann liest du die FAZ und seit wann backst du Kuchen?«
Ich seufzte. »Ich backe keinen Kuchen. Ich finde es unfair den Feuerwehrmännern gegenüber. Schließlich haben die samstagmorgens auch was Besseres zu tun.«
Wir verabredeten uns um acht in der
Rosenau
. Dort sollte unsere Tour starten. Ich klingelte bei Leon und war fast erleichtert, als sich nichts regte. Seit unserem Gespräch an der Tür am Donnerstagabend hatte ich ihn nicht mehr gesprochen. Gesehen und gehört, okay. Ich klebte einen Zettel an die Tür: »Hole dich kurz vor acht ab. Nimm ordentlich Kleingeld mit.«
Als Nächstes rief ich bei der Tierhandlung in der Marienstraße an, wo ich das Fischfutter gekauft hatte, und beschrieb mein Problem.
»Ha was hen Se denn gmacht mit dene Viecher?«, fragte eine männliche Stimme.
»Nichts Besonderes«, sagte ich, »eigentlich nur gefüttert.«
»Ond wie viel?«
»Ich weiß auch nicht, so eine ordentliche Ladung, ein- bis zweimal am Tag. Die Fische sahen ein bisschen mager aus.«
»No isch klar«, sagte die Stimme. »Sie hen zviel gfüttert.«
»Heißt das, die anderen sterben jetzt auch?«
»Des woiß i net. I ben jo koi Doktr. Wenn se jetzt no net hee send ... I däd halt amol aufhöre mit füttra.«
Ich bedankte mich, nachdem mir der Mann versichert hatte, sie hätten blasslilafarbene Schleierschwänze vorrätig. Ich holte Max aus dem Kühlschrank, zog meinen dicken Anorak an und sauste nach unten, mit Vollbremsung bei Herrn Tellerle. Die Fische zogen ungerührt ihre Bahnen und machten einen munteren Eindruck. Dass einer aus ihren Reihen fehlte, schien sie nicht weiter zu kümmern. Ich fischte das restliche Futter aus dem Wasser, um weitere Todesopfer zu vermeiden.
Ich holte das Fahrrad aus dem Keller und war zehn Minuten später in der Tierhandlung. Ich wickelte Max aus und zusammen mit dem netten Verkäufer vom Telefon fand ich einen ähnlichen Fisch. Leider war das Lila um einiges dunkler, aber Herr Tellerle hatte Max ja seit fast einer Woche nicht gesehen. Da standen die Chancen gut, dass er sich nicht mehr so genau an die Farbe erinnerte, in seinem Alter.
»Was mache ich jetzt mit dem toten Fisch?« fragte ich. »Ins Klo spülen oder in den Müll tun? Gelber Sack ist es ja nun bestimmt nicht. Restmüll oder Biotonne?«
Der Verkäufer kratzte sich am Kopf. »Also, des isch jo a zemlich kloiner Fisch. I däd den end Biotonne.«
Er gab mir Max II in einer zugeknoteten
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