Laugenweckle zum Frühstück
Aufforderung brachte ihm der Kellner ein neues.
»Und, wie findest du es hier?«, fragte Lila und nahm einen tiefen Schluck aus ihrem Rotweinglas.
»Hmm. Interessant. Ja, durchaus interessant.« Er grinste. Noch ein bisschen breiter als sonst. Wahrscheinlich lockerte das Bier die Kinnmuskulatur.
Die freien Plätze an unserem Tisch blieben nicht lange leer. Auch die nächste Kombination bestand aus zwei Frauen und einem Mann mit einem einheitlichen Alkoholpegel. Nur war der Mann deutlich jünger als bei der vorherigen Truppe. Er trug einen Janker und ein Trachtenhemd. Die beiden Frauen trugen das gleiche Dirndl.
Die erste Frau rutschte auf die Bank.
»Hock di no«, sagte sie zu der anderen, obwohl sie ihr eigentlich fast keinen Platz gelassen hatte. Die zweite Frau quetschte sich auf das kleine freie Eckchen und sah aus, als ob sie jeden Moment von der Bank fallen würde. Der Mann hatte mittlerweile am Tresen Zigaretten geholt.
»Ha noi, i will näba dir sitza!«, jaulte die erste Frau. Sie schubste die andere von der Bank und zog den Mann neben sich. »Jetz isch koi Platz mee, jetz musch uf da Stuhl«, sagte sie zur zweiten Frau. Die nahm ohne zu Murren auf dem Stuhl neben Lila Platz, schnappte sich ohne ein Wort deren Rotweinglas, hängte ihre Nase hinein und schnupperte ausgiebig. Lila ließ sie ein paar Augenblicke gewähren. Dann nahm sie ihr sehr bestimmt das Glas weg wie einem Kind die Streichhölzer.
»Des isch fai koi guader Wai«, sagte die Frau. »Woisch, mir sen vom Fach. Mir bediened nämlich enr Weinkneipe, draußa em Remstal. On des isch onser Scheff, dr Hansi. Der isch fai Wengerter.« Sie kicherte, als ob sie einen großartigen Witz gemacht hätte. Die Frau auf der Bank warf ihr böse Blicke zu. Dann wandte sie sich vertraulich an Lila und mich.
»Sen ihr scho aufm Klöle gwä und hen a Rolle gmacht? Weil, die Klöle hier sen net schee.« 8
Der Kellner kam mit der Knabbermischung.
»Drei Bier und drei Rama!«, rief die Frau auf der Bank, ohne die anderen beiden vorher gefragt zu haben. Hansi lehnte komatös an ihrer Schulter. Als die Getränke auf dem Tisch standen, hob sie ihr Ramazotti-Glas und wandte sich an uns.
»So, jetzt trenka mer mit onsre neie Freind!«
Leon sah mich Hilfe suchend an und flüsterte: »Ich verstehe kein Wort. Was hat sie gesagt?«
»Dass sie jetzt mit ihren neuen Freunden trinken will. Die neuen Freunde, das sind wir.«
Leon nickte verständnisvoll. Er glaubte offensichtlich, in einer Art Folklore-Veranstaltung gelandet zu sein, und da er nichts falsch machen wollte, hob er brav sein Bierglas.
»Zum Wohle, zum Wohle, Gesundheit und Kohle!«, rief die Frau. Das war ein interessanter Trinkspruch, den ich so nicht im Repertoire gehabt hatte. Rama-, Bier- und Weingläser klirrten. Auch Hansi war aus seinem Koma erwacht und kippte den Rama in einem Zug hinunter, gefolgt von einem ordentlichen Schluck Bier.
»Welche isch jetzt dai Frau ond welche dai Freindin?«, fragte er Leon.
Lila flüsterte ihm die Übersetzung ins Ohr.
»Sag ihm, keine von beiden«, sagte Leon laut zu Lila. Au weia. Der war auch nicht mehr ganz nüchtern.
Hansi lachte dröhnend. »Ha no, was ned isch, ko ja no wärda! Guck mi o: zwoi Fraindenne, ond mai Frau hockt drhoim! So musch’s macha! Du bisch also an Reigschmeckter! So ebbes! No wird’s abr Zeit, dass mr mit em Schwäbischlerna ofanged! Sonschd komma mr ned weit em Schwobaländle! Also, jetzt kommt die erschde Lektio: Desch a Gsälz!«
Leon, der von dem ganzen Gsälz wieder kein Wort verstanden hatte, sah erst Lila, dann mich Hilfe suchend an. Wir schwiegen beide in stillem Einverständnis. Lila spielte mit ihrem Geldbeutel. Ich sah zum Fenster hinaus. Hansi schien zu kapieren, dass es bei Leon bereits an den absoluten Grundlagen haperte. Er streckte seinen Zeigefinger aus und bohrte ihn in Leons Brust.
»Du – jetzt – wiederholen. Du – jetzt – sagen: Desch – a – Gsälz.«
»Des a Gselz«, wiederholte Leon brav. Er schien es sich auf keinen Fall mit der nativen Bevölkerung verderben zu wollen. »Ist das jetzt etwas Unanständiges?«
Ich nickte. »Es ist zu schrecklich, um es zu übersetzen. Ich kann dir nur raten, sag das nie vor deinem Chef, wenn dir dein Job lieb ist!«
Lila nickte bekräftigend.
Die beiden Frauen waren in der Zwischenzeit komplett aus der Konversation ausgestiegen. Die Frau, die neben Hansi saß, war eingeschlafen und schnarchte an seiner Schulter mit offenem Mund wie ein Bierkutscher.
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