Laugenweckle zum Frühstück
Irgendwann schubste Hansi sie ungeduldig von sich weg. Sie schnarchte gegen den Fensterrahmen gelehnt weiter. Die zweite Frau trank in gleichmäßigem Rhythmus ihr Bierglas leer: ein Schluck Bier, zehn Sekunden Pause, nächster Schluck.
Draußen fuhr ein Taxi vor und spuckte weitere Nachtschwärmer aus.
»Wisst ihr was, ihr Süßen, ich gehe jetzt nach Hause«, sagte Lila. Sie warf einen 5-Euro-Schein auf den Tisch, sprang auf und winkte mit der Hand. »War nett mit euch. Kommt gut heim. Tschau!« Sie packte ihre Jacke und kletterte Sekunden später in das Taxi. Ich sah auf die Uhr. Die letzte U-Bahn war längst weg.
Hansi grinste. »So, jetzt hot sich’s entschieda, mit wem du hoimgosch!«, sagte er zu Leon.
Der lächelte unverbindlich und antwortete stolz: »Des a Gselz.«
»Ich glaube, wir gehen jetzt auch«, sagte ich. Es war wohl kaum zu erwarten, dass die Konversation noch auf ein höheres Niveau klettern würde.
Ich war zwar nicht allzu glücklich über Lilas schnellen Abgang, da sie aber am anderen Ende der Stadt in Stuttgart-Ost wohnte, hätten wir sowieso nicht gemeinsam nach Hause gehen können. Mir graute davor, mit Leon allein zu sein. Bestimmt würde er wieder emotional werden! Alkohol vertrieb doch alle Hemmungen! Und ich wollte doch nichts von ihm! Aber es würde vermutlich komisch aussehen, wenn ich nicht mit ihm nach Hause ging. Soweit ich mich erinnern konnte, war er mein Nachbar.
Wir bezahlten, stießen ein letztes Mal mit unseren leeren Gläsern an (die zweite Frau war mittlerweile ebenfalls eingeschlafen), schworen uns ewige Freundschaft und gelobten hoch und heilig, Hansi und seinem Harem in seiner Weinstube im Remstal, deren Namen ich geflissentlich sofort wieder vergaß, bei allernächster Gelegenheit einen Besuch abzustatten und fünfundzwanzig Freunde mitzubringen.
»Willst du auch ein Taxi nehmen?« fragte Leon, als wir draußen standen.
»Ehrlich gesagt, sprengt das mein Budget. Ich würde lieber zu Fuß gehen.«
»Ist mir recht. Dann kann ich mich noch ein bisschen ausnüchtern. Außerdem ist es so schön, mit dem Schnee.«
Es hatte wieder leise zu schneien begonnen. Leon legte mir einen Arm um die Schultern. Ich hatte es geahnt! Jetzt wurde es peinlich!
Ich bückte mich nach vorne und tat so, als müsste ich etwas an meinen Winterstiefeln in Ordnung bringen. Dabei wand ich mich wie ein Aal aus Leons Umarmung. Als ich mich wieder aufrichtete, hakte ich mich bei ihm ein, bevor er mir wieder den Arm umlegen konnte. War das nicht ein ungeheuer cleverer Schachzug? So konnte ich ihn halbwegs unter Kontrolle halten, ohne ihn komplett vor den Kopf zu stoßen.
Bei der nächsten Straßenlaterne sah ich, dass Leon mich ansah wie ein Bernhardiner.
8 Auch Erwachsene bedienen sich in seltenen Fällen des eigentlich aus dem Kinderschwäbisch stammenden Begriffs »Rolle«.
7. Kapitel |
Sonntag
Sunday, bloody Sunday
»Leon hat mich angesehen wie Bootsmann!«
Es war Sonntagmorgen, elf Uhr. Die Schneewolken hatten sich verzogen. Der Himmel war eisblau und wenn ich aus dem Schlafzimmer sah, lag mir die Stadt wie ein Wintermärchen zu Füßen. Der Schnee glitzerte auf den Dächern. Es war atemberaubend, vom fünften Stock aus gesehen. Auch in meinem Schlafzimmer war es atemberaubend. Wenn ich kräftig ausatmete, bildete sich ein putziges weißes Wölkchen. Ich hatte mich nach einem kurzen Blick auf die weiße Pracht mit einer dampfenden Tasse Kaffee und dem Telefon unter drei Decken vergraben und hechelte mit Lila den Samstagabend durch.
Ausnahmsweise hatte ich keinen Kater. Offensichtlich gewöhnte sich mein Körper allmählich an die regelmäßige Alkoholzufuhr. Ich war gespannt, wie lange es dauern würde, bis ich den morgendlichen Kaffee durch ein Pikkolöchen ersetzen musste.
»Wer, bitte schön, ist Bootsmann?«
»Bootsmann ist der Bernhardiner aus
Ferien auf Saltkrokan
, der durch seinen treu-ergebenen Blick beeindruckt.«
»Aha. Und was ist daran so schlimm?«
»Ich finde, ein Mann sollte eine Frau so ansehen wie Johnny Depp Keira Knightley in
Fluch der Karibik 2
und nicht wie ein Bernhardiner aus einem Buch von Astrid Lindgren!« Vor meinem inneren Auge konnte ich sehen, wie Lila am anderen Ende der Leitung den Kopf schüttelte.
»Line, du solltest mal den Ratgeber
Fatal attraction – Warum sich Frauen immer in die falschen Männer verlieben
lesen. Wenn du Captain Sparrow bitten würdest, die Kehrwoche zu machen, würde er irgendwas von Zigaretten holen gehen murmeln, und
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