Laura Leander 01 - Laura und das Geheimniss von Aventerra
ihr auf, und obwohl sie wusste, dass das völlig unsinnig war, rannte sie nur noch schneller.
Als das Ungeheuer aus dem Nebel vor ihr aufragte, hätte Laura beinahe laut aufgeschrien. Aber dann ging ihr auf, dass es sich bei dem mächtigen Pferd nur um das überlebensgroße Standbild von Reimar von Ravenstein handeln konnte, das sich auf einem kleinen runden Platz mitten im Park erhob. Dennoch pochte ihr Herz zum Zerspringen, während sie sich mit zögernden Schritten dem steinernen Monument näherte.
Der Grausame Ritter hatte das Denkmal noch zu Lebzeiten errichten lassen, kurz nachdem er im Jahre 1153 von einem Kreuzzug zurückgekehrt war, der ihn jahrelang in fremden Landen festgehalten hatte. Er hatte wohl geahnt, dass ihm nach seinem Tode niemand eine Träne nachweinen oder gar ein Denkmal setzen würde. Deshalb hatte er selbst dafür gesorgt, dass sein Abbild der Nachwelt erhalten blieb, und einen Bildhauer aus seiner Grafschaft damit beauftragt, ihn auf seinem Lieblingspferd »naturgetreu« in Granit zu hauen.
In der Dunkelheit und von Nebelschleiern umflort, wirkte das Standbild noch monströser, als es ohnehin schon war. Laura schielte zaghaft zu dem unheimlichen Ritter empor, der in voller Rüstung und mit einem mächtigen Schwert an der Seite auf seinem Streitross saß und mit starrem Blick in die Ferne schaute.
Reimar musste ein Mann von abgrundtiefer Hässlichkeit gewesen sein, denn selbst sein geschöntes Antlitz wirkte noch abstoßend und grausam. Die Augen lagen im Schatten des Helmes. Aber das war nicht der Grund, warum sie kalt und böse wirkten - Reimars Augen waren kalt und böse, und selbst in der steinernen Gestalt flößte der Ritter den meisten Betrachtern noch Furcht ein. Sogar die Tauben schienen Angst zu verspüren, denn sie wagten nicht, sich auf seinem Kopf niederzulassen oder ihn gar zu beschmutzen. Jedenfalls behauptete Albin Ellerking das immer wieder steif und fest. Und in der Tat fand sich niemand, der solche Frevel jemals beobachtet hätte.
Auch Laura, die im Allgemeinen alles andere als ängstlich war, hatte stets aufs Neue ein ungutes Gefühl angesichts des Steinernen Ritters. Dennoch konnte sie den Blick kaum abwenden. Wie gebannt starrte sie den Recken an, als er plötzlich den Kopf drehte und ihr direkt in die Augen schaute.
Laura schrie laut auf, wich einige Schritte zurück - und stieß mit jemandem zusammen. Erneut entfuhr ihr ein Aufschrei des Schreckens. Hastig wandte sie sich um - und da stand Miss Mary und schaute ganz besorgt. »Was ist denn los, Laura? Warum hast du geschrien?«
»Derderderder ...«, stammelte Laura nur.
»Wer?«, fragte Miss Mary ruhig. »Wen meinst du?«
Laura schaute zum Denkmal - und da merkte sie, dass sie sich getäuscht haben musste: Reimar von Ravenstein starrte wie immer finster in die Ferne, gerade so, als lebe er in einer anderen Welt. Der Nebel und die eigene Angst hatten ihr wohl einen Streich gespielt.
»Ahm«, sagte Laura verlegen. »Es ... es war nichts.«
Die Lehrerin nahm Laura an die Hand. »Schon bald wirst du verstehen, Laura«, flüsterte sie und zog Laura sanft fort. »Jetzt komm endlich - wir werden erwartet.«
Laura war froh, als sie das Rondell endlich hinter sich gelassen hatten und nach links in einen Pfad einbogen. Der Nebel riss auf, und nun konnte sie erkennen, dass sich der Kiesweg durch das lockere Gehölz schlängelte, hinter dem das efeuüberwucherte Haus von Professor Morgenstern lag.
Genau in diesem Augenblick geschah es: Ein leises raues Knirschen war zu hören. Es war der Steinerne Ritter, der seinen Kopf drehte und dem Mädchen in dem roten Anorak nachschaute. Er verengte die Augen zu Schlitzen und beobachte Laura mit bösem Blick. Fast hatte es den Anschein, als wolle er im nächsten Moment vom Pferd steigen, um ihr zu folgen.
D er Weg durch die Auenlande war Morwena schier endlos vorgekommen. Obwohl ihr Zweihorn ihn fast vollständig im Galopp zurückgelegt hatte, war er ihr viel länger erschienen als sonst, hatte sie doch die ganze Zeit voller Sehnsucht an Hellunyat gedacht. Sie konnte es gar nicht erwarten, endlich dort anzugelangen. Als das Brausen des Donnerflusses an ihr Ohr klang, hoffte sie inständig, dass der Flusslauf jeden Moment vor ihr auftauchen würde. Doch zu ihrer Enttäuschung verstrich noch eine geraume Zeit, bis sie den mächtigen Strom endlich erreichte.
Der Anblick der neuen Brücke entschädigte Morwena für die bange Erwartung der vergangenen Stunden. Obwohl es mitten
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