Laura Leander 02 - Laura und das Siegel der Sieben Monde
hatte. Seitdem verwandelte sich die liebreizende junge Frau mit jedem Sonnenuntergang in einen reißenden Wolf, der die Wälder um Ravenstein unsicher machte und die Menschen in Angst und Schrecken versetzte, bevor er bei Sonnenaufgang seine ursprüngliche Gestalt zurückgewann. Den ganzen Tag über schmachtete Silva dann im tiefsten Verlies der Burg, bevor der teuflische Kreislauf am Abend von neuem begann, wieder und immer wieder. Wenn Hans den Wolf tötete, würde er gleichzeitig seine Liebste umbringen!
Laura ließ ein ersticktes Stöhnen hören. Sie fühlte nicht nur Mitleid mit dem ahnungslosen Förster, sondern ihr war auch schlagartig aufgegangen, wer Reimar von Ravenstein bei seinen üblen Machenschaften unterstützt haben musste: Syrin!
Sie war eine Schwarzmagierin!
Mühsam unterdrückte Laura den Impuls, den Förster zu warnen. Das hätte den sicheren Tod bedeutet. Und den von Hans und Percy mit Sicherheit auch. Mit jähem Entsetzen hörte sie, dass der Grausame Ritter sein falsches Versprechen ohne jeden Skrupel wiederholte, bevor er den Förster entließ. Selbstverständlich werde er ihn reich belohnen und auch Silva freilassen, sobald er den Wolf getötet habe! »Aber eins will ich ihm noch sagen, Hans. Wenn er seine Silva wiederhat, dann bring er der Maid endlich bei, wie man sich seinem Herrn gegenüber gebührend verhält. Er weiß doch, wie schwer es mir gefallen ist, sie zu bestrafen. Aber leider hat sie es am nötigen Respekt mir gegenüber fehlen lassen, und so blieb mir keine andere Wahl. Das weiß er doch, Hans?«
»Natürlich, Herr.« Der Förster kniete vor dem Ritter nieder und hob die Hand zum Schwur. »Silva wird daraus die nötigen Lehren ziehen und Euch alles vergelten!«
Der Lehnsherr verzog die schmalen Lippen zu einem perfiden Lächeln und klopfte seinem Untertanen gönnerhaft auf die Schulter. »Gewiss, Hans. Das will ich ihm gerne glauben. Und nun hinweg mit ihm!«
Während der junge Mann eilends den Rittersaal verließ, schickte Syrin ihm abfällige Blicke hinterher. »Welch ein Narr!«, zischte sie. »Wie kann man nur so blauäugig sein!«
»Das kommt von der Liebe, Syrin! Sie macht den Förster blind.«
Kaum verhohlener Spott zeichnete das Gesicht der Frau. »Nicht nur den Förster!«
»Was willst du damit sagen?«, brauste der Grausame Ritter auf, beruhigte sich aber augenblicklich wieder.
Selbst Reimar hat Angst vor ihr, kam es Laura in den Sinn. Weil sie viel mächtiger ist als er!
Syrin überhörte die wütende Bemerkung des Burgherrn. »Wie ich dich kenne, willst du dem Burschen die zwanzig Silberstücke doch nicht wirklich zahlen?«
»Wo denkst du hin! Allerdings erwartet den armen Tor sehr wohl ein Lohn – der Tod nämlich! Ich werde meinen Henker zur angegebenen Stelle schicken, und sobald der Wolf erlegt ist, wird er dem Förster die Kehle durchschneiden!«
Syrin grinste. »Hab ich’s mir doch gedacht.«
»Der Kerl hat schließlich nichts anderes verdient. Er hat dem armen Mädchen so den Kopf verdreht, dass sie von ihrem Herrn nichts wissen will. Das ist Hochverrat – und darauf steht nun mal der Tod!«
»Eine sehr eigenwillige Auslegung der Gesetze, aber sei’s drum«, entgegnete Syrin, während sie den Gastgeber mit einem spöttischen Blick bedachte. »Ich wüsste allerdings eine schlimmere Strafe für ihn.«
»Eine schlimmere Strafe als den Tod? Was könnte das wohl sein?«
Syrins Kopf schoss vor wie der einer Schlange. »Die Todesstarre!«, zischte sie Reimar an. »Da, wo ich herkomme, wird sie nur zu gerne angewandt.«
Lauras Gesichtszüge entgleisten. Unwillkürlich schnappte sie nach Luft.
Die Todesstarre? Was konnte das bloß sein?
Der Grausame Ritter schüttelte den Kopf. »Nie gehört. Was ist das denn?«
»Wer mit der Todesstarre belegt wird, erstarrt augenblicklich zu Stein. Er kann sich nicht mehr bewegen, nicht mal das kleinste Glied. Sein Geist hingegen bleibt hellwach – und das ist das Schlimmste: Der Bestrafte ist in seinem Körper gefangen, wohlwissend, dass er nichts dagegen tun kann. Nicht das Geringste!«
Der bloße Gedanke an diese Folter ließ Laura erschauern. Wie konnte man einem Menschen nur so etwas antun!
»Hört sich durchaus interessant an«, antwortete Reimar, »und beim nächsten Mal komme ich gerne auf dein Angebot zurück. Doch was den Förster betrifft, so belasse ich es lieber bei meinem Plan. Der Henker muss schließlich auch ein wenig Spaß haben.« Er brach in höhnisches Gelächter aus, in das Syrin
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