Laura Leander 02 - Laura und das Siegel der Sieben Monde
nun mach schon!
»Du sollst antworten!«, schrie Syrin. Ihr Gesicht war zu einer bösen Fratze geworden. Sie spitzte die blutleeren Lippen und blies – ein eisiger Hauch wehte aus ihrem Mund, und Laura wurde von einem kräftigen Windstoß gepackt, der sie von den Beinen riss, quer durch den Thronsaal fegte und mit voller Wucht gegen die Wand schleuderte. Der Schmerz, der Laura durchzuckte, war so groß, dass sie schon glaubte, sie habe sich sämtliche Knochen gebrochen. Wie ein Häufchen Elend lag sie da, betäubt vor Angst und Schmerz, als Syrin auch schon auf sie zuschoss, sie am Hals packte und zu sich emporzog.
»Antworte endlich, du Handlanger des Lichts!«, brüllte die Frau. »Antworte! Antworte!«
Es war der Schwarze Fürst, der Laura aus den Krallen der tobenden Gestaltwandlerin rettete. »Beruhige dich, Weib!«, herrschte er Syrin mit Donnerstimme an.
Die Magierin ließ augenblicklich von ihrem Opfer ab. Sie stieß das Mädchen von sich, und nur weil die Wand Halt bot, fiel Laura nicht wieder zu Boden.
Sie rang nach Luft und sackte in sich zusammen. Ihr schwante, dass Lukas sie nicht retten würde. Was immer auch geschehen sein mochte – nur sie selbst würde die Traumreise beenden können, aber dazu würden die Dunklen ihr bestimmt keine Gelegenheit bieten. Sie war ihnen hilflos ausgeliefert.
»Komm her!« Der Schwarze Fürst hatte sich von seinem Thron erhoben und winkte Laura mit einer Geste, die keinen Widerspruch duldete, zu sich heran.
Benommen taumelte sie durch den Saal, bis sie erneut vor Borboron stand. Der Tyrann musterte sie mit unergründlichem Blick.
Ob er überhaupt Gefühle besitzt?, fragte Laura sich.
Sein fahles Gesicht ließ keinerlei Regung erkennen. Die Gedanken des Dunklen Herrschers lesen zu wollen erschien Laura so vermessen, dass sie erst gar nicht den Versuch unternahm. Sie zwang sich zur Ruhe und schaute Borboron herausfordernd an.
»Was habt Ihr mit mir vor? Wollt Ihr mich auch mit der Todesstarre belegen wie meinen Vater?«
Der Schwarze Fürst zeigte nun doch eine Regung: Er wirkte belustigt. »Und was hätten wir damit gewonnen?«
Borboron beantwortete die Frage selbst. »Nichts – aber auch gar nichts! Du könntest uns zwar nicht mehr gefährlich werden, aber unser eigentliches Ziel hätten wir damit noch längst nicht erreicht.«
Laura verstand nicht, was er damit sagen wollte, und auch Syrin schien die Worte ihres Gebieters nicht richtig deuten zu können. Sie musterte ihn überrascht und setzte zu einer Frage an, als Borboron verärgert das Gesicht verzog und ihr mit einem raschen Wink zu schweigen gebot.
Aber Laura ließ sich nicht einschüchtern. »Was habt Ihr dann mit mir vor?«
»Nun –« Ein hintergründiges Lächeln spielte um die freudlosen Lippen des Herrschers. »Ich… werde dich freilassen.«
Laura meinte, nicht richtig gehört zu haben. »Freilassen?«, wiederholte sie ungläubig.
»Ja. Du kannst auf den Menschenstern zurückkehren –«
Das ist nicht wahr!, durchfuhr es das Mädchen. Er lügt mich an, warum auch immer.
»Vorausgesetzt, du gibst mir ein Versprechen«, fügte Borboron da auch schon hinzu.
»Ein Versprechen? Welches Versprechen denn?«
Der Tyrann machte einen Schritt auf sie zu. Seine Glutaugen schienen sich tief in Lauras Seele bohren zu wollen. »Wir alle wissen längst, welche Aufgabe die Wächter dir übertragen haben: Am Ostarafest wirst du die magische Pforte durchschreiten, um den Kelch der Erleuchtung nach Hellunyat zurückzubringen. Wenn du gelobst, den Kelch mir und nicht Elysion zu übergeben, werde ich deinen Vater freilassen, und ihr beide könnt unbeschadet in eure Welt zurückkehren.«
Im ersten Moment konnte Laura die Bedeutung dieser Worte nicht erfassen. »Und wenn nicht?«, fragte sie mit angehaltenem Atem.
Der Glutschimmer seines Blickes verdichtete sich, pure Lava schien in seinen Augenhöhlen zu kreisen. »Dann werde ich euch beide töten!«, erklärte Borboron ganz ruhig, und das Mädchen hatte nicht die geringsten Zweifel, dass er seine Drohung wahr machen würde.
Die Verzweiflung schnürte Laura die Kehle zu. Was sollte sie nur tun? Sie konnte das Wasser des Lebens doch nicht in die Hände der Finsternis geben.
Das war unmöglich!
Die Dunklen Mächte würden dadurch so sehr gestärkt, dass ihr Sieg nicht mehr zu verhindern wäre. Aber andererseits – sie konnte ebenso wenig zulassen, dass ihr Vater starb.
Das war vollkommen undenkbar!
Der Schwarze Fürst unterbrach Lauras fieberhafte
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