Laura Leander 02 - Laura und das Siegel der Sieben Monde
Skier unter Kontrolle zu bringen und damit den Todesflug zu verhindern.
Im Höllentempo raste das Mädchen durch eine lange Gerade auf die gefürchtete S-Schleife zu, die gefährlichste Kurve der gesamten Bahn. Laura hörte das Donnern der Schneekugel deutlicher als zuvor und spürte bereits den Lufthauch, den diese vor sich her trieb. Sie wusste, was das bedeutete: In wenigen Augenblicken würde sie überrollt werden. Schließlich konnte sie die aberwitzige Kehre nur meistern, wenn sie die Fahrt drosselte.
Doch Laura blieb keine andere Wahl. Kurz bevor sie die S-Schleife erreichte, richtete sie sich auf, verlagerte das Gewicht und ging erneut in die Hocke. So als habe sie in ihrem ganzen Leben nichts anderes getan, als auf Skiern durch eine Skeletonbahn zu fahren, glitt sie wie an einer Schnur gezogen dahin. Aber auch die Eiskugel war wie ein Geschoss in die Spitzkehre gerast und inzwischen bis auf zwei Meter herangekommen. Es war nur noch eine Frage von Sekunden, bis sie Laura niederwalzen würde!
Laura zitterte nun so vor Angst und Erschöpfung, dass sie die Einfahrt in den zweiten Bogen nicht richtig erwischte. Das Mädchen musste sich aufrichten, um einen Sturz zu vermeiden, verlor dadurch aber beträchtlich an Tempo. Die Mörderkugel dagegen rollte mit unverminderter Geschwindigkeit heran. Laura glaubte schon von ihr erfasst zu werden, als das Monstrum mit einem Male auf den oberen Rand der Kurve zuschoss, die Absperrung durchbrach – und aus der Bahn geschleudert wurde! Ein dumpfer Aufprall war zu hören, als der Riesenball aus Eis und Schnee in die Bäume einschlug, und dann zerriss das Geräusch von splitterndem Holz und brechenden Ästen die mittägliche Stille.
Lauras Herz machte einen Sprung. Mit ihrer Konzentration war es vollkommen vorbei, sodass sie die Kontrolle über die Skier verlor. Zum Glück hatte sie bereits den Auslauf der Bahn erreicht, als es sie von den Beinen riss. Sie überschlug sich zweimal, blieb im Schnee liegen und rührte sich nicht.
Da sauste Lukas heran. Eine Schneewolke stob auf, als er mit einem Linksschwung abrupt abbremste und neben der Schwester anhielt. Besorgt beugte er sich über sie. »Laura? Was hast du denn, Laura? Bist du verletzt?«
Nach einigen Augenblicken, die Lukas wie eine Ewigkeit vorkamen, schlug die Schwester die Augen auf und lächelte. »Nein. Es ist alles okay. Ich bin nur völlig fertig.«
»Mann, o Mann, und ich hab schon gedacht –« Lukas verschluckte den Rest des Satzes und blickte zu der Stelle im Wald, wo die Schneekugel eingeschlagen war. Dort standen stattliche alte Bäume. Einige von ihnen waren in knapp zwei Metern Höhe umgeknickt, als habe ein Riese sie pflücken wollen und dann das Interesse verloren. Am Fuß der zersplitterten Stümpfe türmte sich ein großer Schneehaufen, dem nicht im Geringsten anzusehen war, dass er noch vor wenigen Augenblicken in der Gestalt einer Monsterkugel Laura nach dem Leben getrachtet hatte.
Ungläubig schüttelte der Junge den Kopf. »Das war knapp«, murmelte er. »Das war wirklich knapp.«
»Stimmt.« Laura rappelte sich keuchend hoch. »Das glaubt uns kein Mensch«, stieß sie hervor, während sie sich den Schnee von den Kleidern klopfte.
Laura sollte Recht behalten. Nach Hause zurückgekehrt, wollte selbst Kevin ihnen zunächst nicht abnehmen, dass der riesige Schneemann sie nicht nur verfolgt, sondern auch angegriffen hatte.
»Was?«, fragte er fassungslos. »Aber so was ist doch vollkommen unmöglich!«
»Doch, Kevin.« Lauras Stimme klang ernst. »Das ist sehr wohl möglich. Auch wenn du das nicht wissen kannst!«
Kevin schaute die Geschwister an, als seien sie Wesen von einem fremden Stern. Dann schüttelte er heftig den Kopf. »Tut mir Leid, aber da komm ich wirklich nicht mehr mit. Erst dieses führerlose Auto und dann die Eiszapfen, die Menschen angreifen. Und jetzt auch noch ein Schneemann, der sich angeblich bewegen kann. Du hast offensichtlich zu viele Fantasyromane gelesen in der letzten Zeit.«
Laura wandte sich von dem Jungen ab und blickte ihren Bruder fragend an. Doch Lukas zuckte nur mit den Schultern: Sie musste selbst entscheiden, ob sie Kevin in das große Geheimnis einweihte oder nicht. Alles in ihr drängte danach, sich ihm anzuvertrauen. In ihrem Herzen fühlte sie, dass das Mysterium bei ihm gut aufgehoben wäre und er es bestimmt niemandem weitererzählen würde. Und dennoch – ihre Aufgabe war viel zu wichtig, um auch nur das geringste Risiko einzugehen. Deshalb war
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