Laura Leander - 03 Laura und das Orakel der Silbernen Sphinx
von Wolken verhangen. Mond und Sterne hatten keinerlei Chance, die dicke Decke mit ihrem Licht zu durchdringen. Was den Freunden nur recht war. Im Schutze der Dunkelheit war ihr Treiben bestimmt viel schwieriger zu entdecken als bei Mondschein. Die Turmuhr schlug Mitternacht, als das Eingangsportal der schlafenden Burg lautlos geöffnet wurde. Laura und Lukas – Kaja hatten sie mit der Aufgabe zurückgelassen, sie sofort über Handy zu warnen, falls sie etwas Verdächtiges wahrnehmen sollte – schlüpften aus dem Gebäude und huschten die Freitreppen herunter. Am Sockel der steinernen Säule, die das Vordach trug, hielten die Geschwister an. Während der Junge wartete, beugte das Mädchen die Knie, legte die offene Fläche der rechten Hand auf den Granitblock, atmete tief durch und rieb dreimal kreisförmig über den Stein.
Augenblicklich war ein dumpfes Grollen und Knirschen zu hören. Laura trat hastig zurück und beobachtete aus sicherem Abstand, wie die gigantische Säule zu zittern anhob. Unmerklich zunächst, dann heftiger, als sprenge eine gewaltige Kraft die steinernen Fesseln. Schon erwachte der Säulenriese zum Leben. Portak ruckte und zuckte und gab ächzende Laute von sich. Die Hände des Giganten lösten sich vom Vordach, und er begann zu schrumpfen, immer mehr und mehr.
Laura und Lukas hatten die wundersame Verwandlung schon mehrere Male beobachtet. Dennoch verfielen sie auch diesmal in fassungsloses Staunen, als die geheime Welt hinter den Dingen sich ihnen erneut offenbarte. Mit geöffneten Mündern standen sie da, bis der Säulenmann endlich auf eine menschliche Größe geschrumpft war. Allerdings maß er selbst dann noch weit über zwei Meter und hätte mit seiner mächtigen Statur wahrscheinlich selbst einem Boxweltmeister im Superschwergewicht Respekt eingeflößt.
Portak grinste die Geschwister freundlich an, streckte die langen Arme zum Himmel und dehnte seine Glieder, um sie von der Steife des Steins zu befreien, in die sie für lange Wochen gebannt gewesen waren. Schließlich wandte er sich Laura zu und machte einen tiefen Diener vor ihr, der jeden Lakaien an einem königlichen Hof vor Neid hätte erblassen lassen.
»Verehrtes Fräulein, sagt schnell an, wie Reimund diesmal helfen kann.« Die Stimme des Hünen klang so sanft und melodisch wie die eines Rezitators einfühlsamer Liebesgedichte. »Wie Ihr bin ich ein Freund des Lichts, bekämpfe stets das kalte Nichts, das un’sre Welten wird zerstör’n, wenn alle nur aufs Dunkle schwör’n.«
Laura sah den Bruder mit einem verschwörerischen Augenzwinkern an. Ganz schön redselig heute, dieser reimende Riese! Aber konnte man ihm das wirklich verübeln? Es war schließlich geraume Zeit vergangen, seit Portak zuletzt aus seinem steinernen Schlaf geweckt worden war. »Vielen Dank für das freundliche Angebot«, sagte sie deshalb schnell. »Du wirst uns sicherlich eine große Hilfe sein bei unserem Unternehmen. Wenn du also so freundlich wärst, uns zu folgen.«
Erneut verbeugte sich der Gigant, auch wenn sein Diener aufgrund seiner granitenen Natur recht ungelenk war. »Ich will Euch stets gehorsam sein, wenn Ihr mich löst aus kaltem Stein. Und werd Euch jeden Dienst erbringen, den Teufel selbst würd’ ich bezwingen.«
»Mein Gott, Laura, wo soll das nur hinführen?« Lukas konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen.
»Hinführen?«
»Na, sieht ganz so aus, als hättest du jetzt auch noch Portak den Kopf verdreht.«
»Was heißt hier auch noch, du Blödiot, du!« Laura schoss dem Bruder wütende Blicke zu, bevor sie sich umdrehte und aufgebracht davonlief. Der Steinerne Reimund stapfte augenblicklich hinterdrein. Sein Gang wirkte eckig und schwerfällig. Dafür aber machte er so gewaltige Schritte, dass Lukas sich mächtig anstrengen musste, um mit ihm und seiner sportlichen Schwester mitzuhalten.
Attila Morduk erwartete das ungewöhnliche Trio bereits unter der großen Eiche. Lukas hatte sehr gut geschätzt: Seine Berechnungen anhand des Geländeplans hatten ergeben, dass Bertrun einen Teil des Schwertes in der Tat direkt unter der ausladenden Krone des Baumes vergraben haben musste. Attila hatte die Stelle durch einen Holzpflock markiert und das nötigte Handwerkszeug mitgebracht: Hacken, Pickel und Schaufeln. Und natürlich auch einige Siebe, mit denen das ausgehobene Erdreich auf vergrabene Gegenstände untersucht werden konnte. Selbst an eine Laterne, die für das nötige Licht sorgen sollte, hatte er gedacht.
Von der schien
Weitere Kostenlose Bücher