Laura Leander - 03 Laura und das Orakel der Silbernen Sphinx
Gardinen hindurch einen Weg in das Zimmer. Schwerelos und ohne jede Hast schwebten sie auf Lauras Bett zu, um schließlich den Kopf des Mädchens zu umkreisen. Fast sah es so aus, als tanzten winzige Lichtelfen einen fröhlichen Ringelreigen.
Nach einiger Zeit regte Laura sich. Unruhig wälzte sie sich auf dem Kissen umher. Ihr Kopf bewegte sich immer schneller und immer stärker. Ihr Atem wurde heftiger und glich schon bald einem angestrengten Keuchen. Die Augenlider zuckten und flatterten. Die Lippen bewegten sich, formten Laute, die zunächst kaum verständlich waren, dann aber immer deutlicher wurden, bis sie schließlich in einen lauten Aufschrei mündeten: »Neeeiiinnn!« Noch im gleich Moment fuhr Laura aus dem Schlaf hoch. Als sie die Augen aufschlug, war ihr, als tanzten kleine Sterne vor ihrem Gesicht. Mit dem nächsten Wimpernschlag jedoch waren sie bereits wieder verschwunden. Verwirrt schaute das Mädchen sich um, als müsse es sich erst darüber klar werden, wo es sich befand. Dazu keuchte es so heftig wie nach einem Hundertmeter-Sprint.
»Was ist denn los, Laura?« Aus dem Bett an der gegenüberliegenden Wand erklang Kajas verschlafene Stimme. »Was hast du denn?« Das Pummelchen hatte sich ebenfalls aufgesetzt, die roten Korkenzieherlocken hingen ihm wirr ins Gesicht. Ungeniert gähnend wie ein schlaftrunkenes Nilpferd, schaute Kaja die Freundin verwundert an.
Laura antwortete nicht sofort. Verwirrt starrte sie vor sich hin, bis sie schließlich den Kopf heftig hin und her schüttelte, als wolle sie sich versichern, dass sie wach war.
»Was ist denn los?«, wiederholte Kaja. »Warum schreist du mitten in der Nacht so laut auf, als seien sämtliche Dämonen der Hölle hinter dir her?«
»Weil… Weil ich einen entsetzlichen Traum hatte«, antwortete Laura so leise, dass ihre Stimme fast einem Hauchen gleichkam. »Einen gräßlichen Albtraum.«
»Echt?« Kaja zog die Brauen hoch und sah sie mitfühlend an. »Und… was hast du geträumt?«
»Ich… Ich befand mich mitten in einem riesigen Dschungel.« Laura zögerte. Ihr Blick ging in die Ferne, als könne sie das im Traum Erlebte dort deutlich sehen. Ihre Stimme wurde fester. »Ich war ganz allein, kein Mensch war weit und breit. Es war dunkel und richtig gruselig, und die Bäume und Büsche standen so dicht, dass es fast kein Durchkommen gab.«
Kaja schlang die Arme um die angezogenen Beine, stützte das Kinn auf die Knie und hörte der Freundin aufmerksam zu.
»Unheimliche Laute waren zu hören. Von wilden Tieren und anderen Wesen, die ich nicht kannte. Ich bekam es immer mehr mit der Angst zu tun und konnte trotzdem nicht davonlaufen. Ich musste weiter, einfach weiter, auch wenn ich keine Ahnung hatte, wohin. Ich stand unter einem inneren Zwang, gegen den ich mich nicht wehren konnte. Und dann plötzlich…« – Lauras Augen wurden groß bei der Erinnerung –, »… plötzlich schimmerte eine unheimliche Gestalt im Buschwerk auf. Sie war riesengroß und glitzerte silbrig im Mondlicht, und dann…« – Laura blickte Kaja mit bleichem Gesicht an – »… trat ein schreckliches Ungeheuer aus dem Dschungel und hielt direkt auf mich zu.«
Kaja japste unwillkürlich und schlug die Hand vor den Mund. »Ein Ungeheuer? Ein Drache wie Niflin etwa?«
»Nein, Kaja. Es war kein Drache, sondern eine riesengroße Sphinx!«
»Eine Sphinx?«, staunte Kaja. »Eine ägyptische oder eine griechische?«
Trotz des bedrückenden Traumes musste Laura laut lachen. »Eine griechische, glaube ich. Jedenfalls besaß sie den Leib eines riesigen Löwen, auf dessen Rücken sich ein Paar mächtiger Schwingen befand. Der Oberkörper und der Kopf aber waren der einer Furcht erregenden Kriegerin. Sie war offenbar aus purem Silber gegossen – schien aber trotzdem höchst beweglich und lebendig zu sein. Am unheimlichsten waren ihre Augen. Sie glühten feuerrot wie zwei Rubine!«
»Oh, nö!« Kaja schüttelte sich. Der bloße Gedanke an das schreckliche Wesen jagte ihr sichtlich Schauer über den Rücken. »Das ist ja richtig gruselig!«
»Du sagst es«, hauchte Laura, immer noch zitternd vor Angst, als stehe das Ungeheuer leibhaftig vor ihr. »Aber es wurde noch schlimmer! Die silberne Sphinx öffnete nämlich den Mund und begann zu sprechen: ›Antworte, Laura!‹, herrschte sie mich mit einer schaurigen Stimme an ›Antworte endlich – oder ich werde dich zerreißen!‹«
Laura schwieg, und auch Kaja traute sich nicht zu sprechen. Für einen Moment war es so
Weitere Kostenlose Bücher