Laura Leander - 03 Laura und das Orakel der Silbernen Sphinx
Borboron zu vernichten. Hellenglanz aber wird schon seit undenklichen Zeiten im Labyrinth der Gralsburg Hellunyat aufbewahrt. Damit es keinem Unwürdigen in die Hände fällt, der sich seiner mächtigen Kräfte aus Eigennutz bedienen könnte.«
Also doch!, schoss es Laura durch den Kopf. Ich habe doch richtig vermutet.
Noch im gleichen Augenblick fiel ihr allerdings etwas anderes ein, und ihre Wangen wurden blass. »Ähm«, räusperte sie sich. »Und was ist, wenn Borborons Krieger dieses Schwert aus dem Labyrinth geraubt und auf unsere Erde gebracht haben? Genauso, wie sie es mit dem Kelch der Erleuchtung gemacht haben?«
»Wenn Borboron Hellenglanz in seinen Besitz gebracht hätte, wäre ihm niemals eingefallen, es auf die Erde zu bringen! Das Schwert hätte ihm unschätzbare Vorteile im Kampf gegen seine Feinde verschafft, sodass er nicht einmal im Traum daran gedacht hätte, es jemals wieder aus der Hand zu geben.« Der Professor blickte seine Schülerin eindringlich an. »Ist das nicht einsichtig, Laura?«
Das Mädchen schwieg. Natürlich waren die Erklärungen des Professors ebenso logisch wie nachvollziehbar. Und dennoch blieb ein Rest von Zweifel.
Als Laura die Tür des Direktorenhäuschens hinter sich zuzog, wehte ihr ein kalter Nachtwind ins Gesicht. Die Brise kühlte ihr erhitztes Gemüt, und mit einem Male spürte auch sie, wie der Schlaf seine lähmenden Finger nach ihr ausstreckte. Sie zog die Kapuze über den Kopf, verkroch sich tiefer in ihre Jacke und beschleunigte den Schritt. In Gedanken bereits in ihrem kuscheligwarmen Bett, eilte sie zwischen den schattenhaften Bäumen und Sträuchern des Parks dahin. Kein Wunder also, dass ihr die dunkle Gestalt entging, die hinter einem Busch auf sie lauerte, um ihr dann in einigem Abstand lautlos zu folgen.
P aravain senkte den Kopf und wartete demütig auf die Strafpredigt von Elysion. Zu seinem Erstaunen blieb sie aus. Der Hüter des Lichts wandte sich vielmehr an Luminian, der wieder seine ursprüngliche Größe angenommen hatte. »Führe uns ins Zentrum des Labyrinths!«, befahl er dem Blinden.
»Wie Ihr verfügt, Herr!« Der Wächter verbeugte sich, drehte sich dann um und ging bedächtigen Schrittes tiefer in den Gang hinein.
Paravain und Elysion folgten ihm. Plötzlich erlosch das blaue Licht, und Grabesschwärze senkte sich über sie. Als die Augen des Ritters sich an die Dunkelheit gewöhnt hatten, erkannte er, dass sie sich im Labyrinth befanden. Die Wände der zahllosen Gänge, die sich endlos verzweigten, waren gerundet, als beschrieben sie einen Kreis.
Luminian führte sie unbeirrt voran. Nicht ein Abzweig, an dem er zögerte, nicht eine Gabelung, an der er überlegte. Erstaunt wandte Paravain sich an den Hüter des Lichts. »Was ich nicht verstehe, Herr…?«
Elysion lächelte nur. »Du fragst dich, wie ein Blinder sich hier orientieren kann?«
»Genau!«
»Es sind nicht die Augen, Paravain, die uns das Ziel zeigen«, entgegnete der Hüter des Lichts. »Aber das müsstest du längst wissen. Was wirklich entscheidend ist, kannst du mit ihnen nicht sehen, denn es verbirgt sich meistens hinter der Oberfläche der Dinge. Um das Entscheidende zu erkennen, bedarf es mehr als nur guter Augen. Weshalb auch ein Blinder zu den Sehenden zählen kann und genauso leicht zum Ziel findet wie andere.«
Luminian war stehen geblieben. Aus einer schmalen Öffnung in der Mauer vor ihm drang ein gleißendes Licht. »Wir sind da, Herr«, sagte er und trat zur Seite.
Elysion trat in das Zentrum des Labyrinths, und Paravain folgte ihm. Der Raum war kreisrund und erstrahlte in überirdischer Helligkeit. Der Ritter fühlte sich mit einem Male ganz leicht, fast schwerelos. Verwundert blickte er sich um.
In die Bodenfliesen war ein Rad der Zeit eingelassen. Direkt über seinem Zentrum schwebte der Kelch der Erleuchtung in einer Lichtsäule. Die Rubine und Smaragde, mit denen er geschmückt war, leuchteten in allen Farben des Regenbogens, sodass Paravain die Augen kaum abwenden mochte. Dann bemerkte er eine lange, schmale Nische in der Wand, die ebenfalls mit überirdischem Licht geflutet war. Das musste der Platz sein, an dem das Schwert des Lichts aufbewahrt wurde. Allein: Er war leer! Von Hellenglanz war nicht die geringste Spur zu entdecken – die kostbare Waffe war verschwunden!
»Was ist damit geschehen, Herr?«, fragte Paravain erschrocken.
Ein trauriges Lächeln trat auf Elysions Gesicht. »Es ist genau so, wie du vermutet hast: Das Schwert des
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