Laura Leander 04 - Laura und der Fluch der Drachenkönige
geheimnisvollen Wesen ließen sie einfach nicht mehr los. Auf einigen ihrer Ausflüge habe ich sie sogar begleitet. Bedauerlicherweise aber nicht auf ihrem letzten.«
»Ihr meint die Reise, bevor Analina verschwunden ist?«
»Genau.«
Laura legte die Stirn in Falten. »Was war daran denn so Besonderes?«
»Nun, genau das wüsste ich auch gern«, erklärte Aurian nachdenklich. »Aber leider hat meine Herrin sich mir gegenüber auf vage Andeutungen beschränkt. Danach ist sie im Reich der Drachen auf ein Geheimnis gestoßen, das bis dahin sorgsam gehütet wurde, ein Geheimnis, das sie offensichtlich in große Gefahr brachte. Denn sie ist völlig überstürzt und viel früher als geplant hierher zurückgekehrt und wirkte in der Folgezeit sehr verängstigt.«
»Und warum?«
»Das wollte sie partout nicht preisgeben. Um mein Leben nicht zu gefährden wie das ihre, hat sie mir erklärt. Am Tage des Ostarafestes ist sie dann verschwunden.«
»Aber…« Laura schluckte und blickte sich in der Bibliothek um. »Wenn Analina sich so eingehend mit den Drachen beschäftigt hat, wird sie ihre Erlebnisse und Erkenntnisse bestimmt irgendwo aufgeschrieben haben. Habt Ihr denn nicht nach diesen Notizen gesucht?«
»Doch, natürlich«, versicherte Aurian. »Ich hab alles auf den Kopf gestellt. Denn in der Tat hat meine Herrin für gewöhnlich alles schriftlich festgehalten, was ihr auch nur im Entferntesten wichtig erschien.« Er machte eine bedeutungsschwere Pause. »Wenn überhaupt, dann hat sie das große Geheimnis allein ihrem Tagebuch anvertraut – und das ist mit ihr verschwunden.«
»Schade«, murmelte Laura. »Vielleicht wären mir ihre Erkenntnisse ja bei der Suche nach dem Sterneneisen nützlich gewesen.«
»Gut möglich.« Die Ratte wiegte bedächtig den Kopf und wackelte mit den Ohren. »Aber vielleicht hätten sie dir auch geschadet. Wie sich nämlich schnell herausstellte, war Analinas Furcht nicht unbegründet. Sie war kaum verschwunden, als die Drachen hier auftauchten, wie sie es vorausgesehen hatte. Angeführt wurden sie von Gurgulius dem Allesverschlinger, einem Ungeheuer mit zwei Köpfen.«
»Den kenne ich.« Laura stand der Schrecken ins Gesicht geschrieben. »Der ist wirklich entsetzlich! Was wollten die denn hier?«
»Sie haben nach Analina gesucht – und nach einem Drachenei.«
»Nach einem Drachenei? Wieso das denn?«
»Tut mir Leid.« Aurian zog die schmalen Schultern hoch, sodass von seinem kurzen Rattenhals nichts mehr zu sehen war. »Aber das entzieht sich meiner Kenntnis.«
In tiefes Schweigen versunken, starrten die beiden eine Weile in die Kerzen. Mit einem Male stieg ein Gedanke in Laura hoch. »Wenn Ihr Analina ins Drachenland begleitet habt, dann wisst Ihr doch sicherlich auch, wie man auf schnellstem Wege dorthin gelangt.«
»Natürlich.«
»Und…« Sie zögerte zunächst, die Bitte auszusprechen, fasste sich dann aber doch ein Herz. »Verzeiht mir die Unverfrorenheit, aber könntet Ihr Euch vorstellen, mir dorthin als Führer zu dienen?«
»Mit dem größten Vergnügen, Laura.« Zufrieden lächelnd leerte Aurian sein Glas und erhob sich. »Am besten, wir brechen in aller Frühe auf. Deshalb solltest du jetzt in deine Kammer zurückgehen und versuchen, noch einige Stunden Schlaf zu finden.«
»Da habt Ihr Recht.« Auch Laura trank aus, wünschte Aurian eine gute Nacht und eilte zur Tür. Dort drehte sie sich noch einmal um. »Wie konnte Analina nur voraussehen, dass die Drachen nach ihr su –«, hob Laura an, da bemerkte sie, dass die Ratte spurlos verschwunden war.
Als Paravain seinen Blick über die Schar seiner Begleiter schweifen ließ, musste er unwillkürlich lächeln. Seit er dem Hüter des Lichts diente, war er noch nie mit einer so seltsamen Truppe unterwegs gewesen: Zu seiner Linken schwirrte Herr Virpo, während ihnen in einigem Abstand eine große Wolke aus fliegenden Silberstiften zu folgen schien. In Wahrheit handelte es sich um einen Schwarm von Flatterflüglern, volle zwölf Dutzend an der Zahl. Anders als in dunkler Nacht leuchteten sie im hellen Licht des Morgens nicht selbst. Ihre Leiber gleißten in der Sonne.
Obwohl der Weiße Ritter und seine ungewöhnliche Entourage kaum länger als einen Tag unterwegs waren, lagen die Feuerberge bereits vor ihnen. Denn Paravain hatte sich Feenbraut, Morwenas Zweihorn, ausgeliehen, das schneller und zudem viel robuster war als sein Pferd. Wie die Einhörner stammten auch die Zweihörner aus den Feenwäldern, deren
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