Laura Leander 04 - Laura und der Fluch der Drachenkönige
dem Wind dahintrieb: Es maß schätzungsweise zehn auf zwanzig Schritte. In der Mitte des Gefährts blähte sich ein blaues Segel an einem Mast.
Das Luftfloß von Aeolon, schoss es Paravain durch den Kopf. Was der Levator wohl vorhat?, dachte er besorgt. Schließlich erinnerte der Weiße Ritter sich noch allzu gut daran, dass der Nomade der Lüfte vor nicht allzu langer Zeit die Schwester seines Knappen bedenkenlos den Wunschgauklern ausgeliefert hatte. Auch wenn Alienor ihn vermutlich selbst darum gebeten hatte, hätte er ihrem Wunsch niemals nachkommen dürfen. Schließlich wusste Aeolon nur allzu gut, was die Verführer aus Deshiristan mit den Irregeleiteten anstellten, die sich in ihre Gewalt begaben: Sie verkauften sie an Borboron, für den die Unglücklichen dann harte Sklavenarbeit leisten mussten. Paravain seufzte. Ob Alienor jemals aus der Schwarzen Festung entkommen könnte?
Ob der Levator wieder jemanden an Bord hat, den er in sein Unglück zu treiben gedenkt?, grübelte der Ritter.
Kurzerhand wandte er sich an seinen Begleiter. »Dürfte ich Euch um einen Gefallen bitten, Herr Virpo?«
»Natürlich – vorausgesetzt, Ihr verlangt nichts Unmögliches von mir.«
»Bestimmt nicht.« Paravain deutete hoch zum Luftfloß, das so rasch dahinglitt, dass es sich schon ein geraumes Stück entfernt hatte. »Im Gegensatz zu mir könnt Ihr fliegen, und deshalb solltet Ihr mit Leichtigkeit überprüfen können, wer sich dort oben an Bord befindet.«
Herr Virpo flatterte etwas höher und blickte angestrengt in die angezeigte Richtung. »Oh«, sagte er schließlich. »Das ist eine Aufgabe für unsere Spählinge.« Immer noch schwebend, drehte er sich um, steckte die Fingerchen zwischen die kaum sichtbaren Lippen und ließ einen hellen Pfiff hören.
Augenblicklich lösten sich drei Flatterflügler aus der silbrig glitzernden Eskorte. Pfeilschnell stiegen sie auf und schwirrten in Richtung des Schwebefloßes davon.
»Spählinge?«, fragte Paravain verwundert.
Herr Virpo sah den Ritter mit beinahe mitleidigem Augenaufschlag an. »Die Aufgaben bei uns sind klar verteilt, Ihr Nichtsweißling. Als unsere Kundschafter haben sich die Spählinge bewährt, geschickte und flinke Flieger.«
Paravain brummte.
»Dann sind da noch die Traglinge«, fuhr der Flatterflügler ungerührt fort. »Zwar vermögen wir allesamt ein Vielfaches unseres Körpergewichtes zu schleppen – aber dennoch gibt es auch ganz besonders kräftige Vertreter unserer Art. Drei bis vier von ihnen genügen, um einen gewöhnlichen Weidenkorb mit Königsfrüchten zu transportieren.«
»Tatsächlich?« Paravain stieß einen anerkennenden Pfiff aus. »Das ist in der Tat erstaunlich. Und was seid Ihr, mit Verlaub?«
»Ich bin ein Angeber! Das müsstet Ihr doch längst gemerkt haben!« erklärte Herr Virpo stolz.
»Oh, ja – Ihr sagt es.« Nur mit Mühe konnte Paravain das Lachen unterdrücken. »Natürlich hab ich längst bemerkt, dass Ihr ein Angeber seid.«
»Das will ich doch schwer hoffen!« Herr Virpo klang ein wenig verstimmt. »Wo kämen wir hin, wenn keiner angäbe, was zu tun ist? Das ist eine überaus wichtige und verantwortungsvolle Aufgabe, die nur von den erfahrensten und umsichtigsten Köpfen wahrgenommen werden kann. Deshalb erfüllt es mich mit Freude, dass mein Volk mich zum wiederholten Male zu seinem Angeber gewählt hat.«
»Meinen Glückwunsch, Herr Angeber!«
»Vielen Dank, Stampffüßling.« Der Flatterflügler war sichtlich geschmeichelt.
Die Rückkehr der Späher unterbrach die Unterhaltung der ungleichen Gefährten. »Herr Aeolon befindet sich allein an Bord«, berichtete Herr Lupo, der Anführer. »Er lässt Euch schöne Grüße bestellen, Stampffüßling.«
»Danke«, entgegnete der Ritter mürrisch. »Darauf kann ich gerne verzichten! Der Luftflößer sollte sich lieber entscheiden, auf welcher Seite er steht, und nicht dauernd versuchen, mit allen lieb Kind zu sein.«
»Hättet Ihr vielleicht die Güte zu erklären, was Ihr damit meint, Ihr In-Rätseln-Sprechling?«
»Wie alle Levatoren hängt Aeolon sein Mäntelchen stets nach dem Wind. Wenn er auf uns Krieger des Lichts trifft, versichert er uns seiner Hochachtung – zugleich aber entrichtet er Borboron regelmäßig Tribut! Damit wird er nicht ewig durchkommen. Jeder von uns muss irgendwann die Entscheidung treffen, welchen Weg er beschreiten will: den einfachen, aber schändlichen Weg der Dunklen Mächte oder den sehr viel schwierigeren des Lichts, an dessen Ende
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