Laura Leander 04 - Laura und der Fluch der Drachenkönige
überwiegend aus perfekten, aber dennoch völlig wertlosen Imitationen.«
»Oh nein! Und das hat keiner von ihnen bemerkt?«
»Nicht einer.« Die Ratte schüttelte den Kopf. »Wie du vielleicht weißt, sind die Güldenländer Glasbläser berühmt für ihre große Kunstfertigkeit. Nur ein Beispiel: Dir ist doch bestimmt die prächtige Uhr im Speisesaal der königlichen Familie aufgefallen?«
»Ja, klar«, erinnerte sich das Mädchen. »Sie muss überaus wertvoll sein bei den vielen Edelsteinen, mit denen sie verziert ist!«
»Genau das sollte man meinen.« Aurian lächelte. »Dabei stammen sie ausnahmslos aus der Güldenländer Glasmanufaktur. Diese Handwerker sind wahre Künstler. Deshalb ist es nicht verwunderlich, dass auch die Drachen den wertlosen Tand nicht von echten Juwelen unterscheiden konnten. Die Imitate haben ihnen so gut gefallen, dass sie den kompletten Thronsaal des Drachenpalastes damit ausgeschmückt haben, in dem der jeweilige König der Drachenkönige residiert.«
Laura sah die Ratte fragend an. »Und erst Analina…?«
»Genau!« Aurian nickte bedeutungsschwer. »Zufällig stieß sie auf ein unscheinbares Dokument im Archiv der Burg. Erst beim Lesen wurde ihr die Brisanz ihrer Entdeckung bewusst. Die Chronik, die vermutlich auf der Indiskretion eines reumütigen Glasbläsers beruhte, dokumentierte den Betrug in allen Einzelheiten. Analina war darüber so empört, dass sie auf der Stelle zu ihrem Vater eilte und diesen aufforderte, die Drachen um Verzeihung für die ungeheuerliche Tat zu bitten und ihnen eine Entschädigung zu zahlen.«
»Und wie hat König Dragan darauf reagiert?«
Die Ratte ließ ein bitteres Lachen hören. »Er hat seine Tochter nur ausgelacht. Er änderte selbst dann seine Haltung nicht, als Analina ihn eindringlich davor warnte, dass sich die Drachen mit Sicherheit rächen würden, sollten sie den Betrug entlarven. Und auch ihr Hinweis auf den Fluch der Drachenkönige vermochte ihn nicht umzustimmen. ›Soweit mir bekannt ist‹, sagte er kalt, ›wurde der nur über die Bewohner des Menschensterns verhängt. Außerdem: Warum soll ich mich für die längst vergangenen Sünden unserer Vorväter verantwortlich fühlen?‹ Damit seine widerborstige Tochter ihn nicht durch ihre bloße Anwesenheit ständig an das dunkle Kapitel in der Familiengeschichte erinnerte, verbannte er sie kurzerhand vom Hof.«
»Wie gemein!« Als sei das Unrecht ihr selbst zugefügt worden, stampfte Laura wütend mit dem Fuß auf. »Und Analina hat sich das einfach so gefallen lassen?«
»Was blieb ihr denn anderes übrig?« Wie zum Zeichen der Ohnmacht hob Aurian beide Vorderpfoten. »In ihrer ganzen Familie gab es niemanden, der auf ihrer Seite stand und sie unterstützte, weder ihre Mutter noch ihr Bruder Anasin.«
»Der wusste schon, warum!«, kommentierte Laura mit düsterer Miene. »Wenn seine Schwester sich nicht mit dem Vater überworfen hätte, wäre er doch niemals König geworden.«
»Genauso verhält es sich.« Die Ratte nickte voller Grimm. »Analina fügte sich also in ihr Schicksal. Doch bevor sie Gleißenhall ein für alle Mal verließ, prophezeite sie der Familie, dass der Fluch der Drachenkönige eines Tages auch sie ereilen werde.«
»Und?« Laura sah ihren ungewöhnlichen Gesprächspartner gespannt an. »Hat sich ihre Voraussage erfüllt?«
»Nein. Was auch nicht weiter verwunderlich ist, denn bis zum heutigen Tage ist den Drachenkönigen nicht aufgefallen, dass der Schmuck ihres riesigen Thronsaals in Wahrheit nur aus farbigem Glas besteht.«
Ungläubig schüttelte Laura den Kopf, bevor sie Aurian wieder ansah. »Und was ist aus Analina geworden?«
»Sie hat dieses Jagdhaus hier bezogen, wie von König Dragan befohlen. Erfreulicherweise hat es ihr hier viel besser gefallen als ursprünglich vermutet. Jedenfalls machte sie einen recht glücklichen Eindruck auf mich, als ich nur einige Monde später in ihre Dienste trat.« Er brach ab, um einen weiteren Schluck Wein zu nehmen.
Das Mädchen betrachtete die Ratte mit forschendem Blick. »Das muss doch ewig her sein, oder?«
»Stimmt.« Wieder lächelte Aurian dieses hintergründige Lächeln, das ihn so menschenähnlich machte. »Ich bin in der Tat nicht mehr der Jüngste, falls du das andeuten wolltest.« Dann wurde er wieder ernst. »Wie auch immer: Wir beide hatten eine sehr schöne Zeit damals. Analina hat sich ihren Studien gewidmet und zahlreiche Reisen unternommen. Die meisten davon ins Drachenland, denn die
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