Laura Leander 05 - Laura und der Ring der Feuerschlange
große Triumph, den er empfand. »Ich komme geradewegs von unserem Großmeister, wo ich Borborons Boten mit eigenen Augen gesehen habe!«
»Unfassbar! Einfach unfassbar!« Die Frau mit den karminroten Haaren, die zu Rastazöpfen geflochten und kunstvoll um ihr Haupt geschlungen waren, lächelte böse. Als sie in ihren Stilettos ans Fenster stöckelte, hallten ihre Tritte durch das Lehrerzimmer von Ravenstein, in dem der Konrektor und die Mathelehrerin am späten Nachmittag ungestört waren. Kein anderer Kollege hielt sich dort auf. Die Taxus schob den Vorhang zur Seite und schaute hinunter in den Innenhof, wo nur die einsame Gestalt des Hausmeisters zu sehen war.
Attila Morduk hielt einen altertümlichen Reisigbesen in den Pranken und fegte damit das Kopfsteinpflaster im Innenhof der Burg. Der spitze Giebelschatten des westlichen Quergebäudes zeichnete sich wie eine düstere Drohung auf dem Boden vor ihm ab. Fast hatte es den Anschein, als wolle er den einzigen noch lebenden Zwergriesen durchbohren. Die letzten Sonnenstrahlen drangen über die Ziegeldächer des mittelalterlichen Gebäudes und verwandelten deren sattes Rot in ein mattes Orange. Nicht mehr lange, und die Sonne würde hinter den Hügelkuppen im Westen untergehen.
Pinky Taxus bedachte den Hausmeister mit einem düsteren Blick. »Und?«, fragte sie, ohne sich umzudrehen. »Wie lautet der Auftrag, den der Bote unss übermittelt hat?«
»Kannst du dir das nicht denken?« Die Augen des Dunklen begannen zu glühen. »Wir sollen –«, hob er an, brach dann jedoch ab und schlich auf Zehenspitzen zur Tür. Vorsichtig drückte er die Klinke der schweren Eichentür hinunter und spähte mit finsterer Miene hinaus in den Flur. Doch es war niemand auf dem langen Gang zu sehen, der sie hätte belauschen können. Erleichtert lächelnd trat Dr. Schwartz ans Fenster und stellte sich direkt hinter Pinky Taxus. »Also – wir sollen dieses Gör weiter im Auge behalten und unter allen Umständen verhindern, dass sie herausfindet, was damals wirklich geschehen ist.«
»Damalss?« Pinky Taxus wandte sich abrupt um. »Du meinsst, bei dem« – ein verschlagenes Grinsen spielte um ihre blassen Lippen –»›Unfall‹ am Nebelsee?«
»Genau! Wir dürfen nicht zulassen, dass Laura die wahren Hintergründe erfährt! Zum Glück konnten wir das Geheimnis über all die Jahre bewahren. Nicht auszudenken, wenn Laura jetzt dahinterkäme. Schließlich stehen wir kurz vor dem heiß ersehnten Ziel!«
Rebekka blickte ihn ungläubig an. »Heißst dass, wir haben endlich grüness Licht bekommen?«
»Genau!« Quintus Schwartz nickte mit unverhohlener Freude, und seine Augen glühten rot auf. »Wir haben völlig freie Hand.«
»Endlich!«, stieß die Dunkle triumphierend aus. Sie ballte die rechte Hand zur Faust, und es hatte für den Bruchteil einer Sekunde den Anschein, als ringele sich ein halbes Dutzend züngelnder Vipern um ihr Haupt. »Ja! Endlich isst ess sso weit!« Damit drehte sie sich wieder zum Fenster um und wandte den Blick zur Sonne, die gerade hinter den Dächern der Burg versank. »Welch ungemein passsendess Bild!«, spottete sie. »Nicht nur der heutige Tag neigt ssich sseinem Ende zsu, ssondern auch die Sstunden von Ravensstein ssind nun endgültig gezsählt.«
»Genauso ist es, Rebekka.« In einer vertraulichen Geste legte Dr. Schwartz ihr die linke Hand auf die Schulter, während er mit der rechten einen Halbkreis beschrieb und auf die verschiedenen Trakte des Gebäudes wies, in denen die Räume des Internats untergebracht waren: die verschiedenen Klassenzimmer, die Bibliothek, die Küche und der Speisesaal – und natürlich auch, aufgeteilt in einen Mädchen- und Knabenflügel, die Zimmer der rund einhundertdreißig Internatsschüler von Ravenstein. »Schau dir alles noch einmal ganz genau an, Rebekka!«, fuhr Quintus mit verklärtem Lächeln fort. »Du wirst schließlich nicht mehr allzu lange Gelegenheit haben, Burg Ravenstein in ihrer ganzen Schönheit zu bewundern. Nicht mehr lange, und sie wird öde und verlassen dastehen und mit der Zeit verfallen. Außer uns beiden weiß im Moment niemand, dass das Schicksal des Internats längst besiegelt ist – weder die Schüler und Schülerinnen noch unsere Kollegen. Und selbst unsere größten Feinde mit Direktor Morgenstern an der Spitze, die sich immer so viel auf ihre Überlegenheit einbilden, haben nicht die geringste Ahnung, dass wir schon in wenigen Wochen zum entscheidenden Schlag gegen sie ausholen
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