Laura Leander 06 - Laura und das Labyrinth des Lichts
schnellstmöglich dem Hüter des Lichts erzählen musst!«
S chwester Heike zuckte bedauernd mit den Schultern. »Ich bin untröstlich, Philipp«, sagte sie, »aber ich darf dich leider nicht zu ihr lassen.«
»Was?« Mr Cool war bestürzt. »Aber warum denn nicht?«
Die Frau seufzte. »Der Chefarzt, Professor Sengebusch, hat das so angeordnet. Seit dem letzten … ähm … Zwischenfall hat sich Lauras Zustand dramatisch verschlechtert. Deshalb darf nur noch ihre Familie sie besuchen.«
»Aber …« Der Verzweiflung nahe, schüttelte Philipp den Kopf und fuchtelte mit den Armen in der Luft herum, als suche er nach Halt. Dann blickte er Schwester Heike Mitleid heischend an. »Könnten Sie nicht eine Ausnahme machen? Bitte!« Er deutete auf seinen Begleiter. »Yannik hat extra seine Reitstunde ausfallen lassen, damit er nach Laura sehen kann.«
Die Krankenschwester zog die Brauen hoch und schnaufte gequält. »Tut mir leid«, meinte sie. »Aber das geht wirklich nicht. Wenn das rauskommt, verliere ich meinen Job.«
»Bitte!« Mit gefalteten Händen flehte Philipp sie an. »Es dauert auch nicht lange!«
Schwester Heike schnaufte erneut und schaute voller Mitgefühl von Mr Cool zu Yannik und wieder zurück. Schließlich nickte sie. »Also gut. Aber nur eine Minute und keine Sekunde länger!«
Philipp musste mit den Tränen kämpfen, als er Laura erblickte. Sie sah zum Gotterbarmen aus: Ihr Gesicht war noch blasser geworden, die Wangen eingefallen und die blauen Augen tief in die Höhlen gesunken.
Auch Yannik zeigte sich entsetzt. »O nein«, stammelte er und schlug die Hände vor den Mund.
Mr Cool fasste sich als Erster. Er stieß Yannik an und flüsterte ihm zu: »Jetzt mach schon, bevor sie uns wieder verscheucht!«
»Okay«, gab Yannik leise zurück. Er griff zu der Kette mit dem goldenen Amulett, die er um den Hals trug, öffnete den Verschluss und nahm sie ab. Dann beugte er sich vor und legte sie Laura um. Er hatte die Kette kaum eingehakt, als das Rad der Zeit hell aufleuchtete – so hell, dass die beiden Jungen die Augen schließen mussten, um nicht geblendet zu werden.
A ls Laura die Augen aufschlug, wusste sie im ersten Moment nicht einmal, wo sie sich befand. Doch dann erinnerte sie sich wieder.
An die Anhöhe, auf die sie geklettert war.
An das schreckliche Mädchen.
Und an den Sturz in die Tiefe.
Behutsam betastete sie ihren Kopf. Anscheinend war er heil geblieben. Blutspuren an den Fingerspitzen bewiesen, dass sie verletzt war, aber zum Glück war es nur eine kleinere Platzwunde, die bereits verkrustete.
Dann versuchte Laura sich aufzurichten. Es ging verhältnismäßig gut! Ihre Knochen waren wohl ebenfalls ganz geblieben, die meisten zumindest. Nur der Rücken schmerzte, und der linke Knöchel war angeschwollen und tat beim Auftreten ziemlich weh.
Das braune Wams von Alarik hatte ebenfalls etwas abbekommen: Im linken Ärmel klaffte ein Winkelriss. Erstaunlicherweise waren das schon alle Schäden, und dabei war Laura mehr als zehn Meter in die Tiefe gestürzt, wie sie mit einem raschen Blick nach oben feststellte.
Sie hatte verdammt viel Glück gehabt!
Oder einen guten Schutzengel!
Erst da bemerkte Laura die Kette um ihren Hals und den goldenen Anhänger daran: ein Rad mit acht stilisierten Speichen.
Verwundert schüttelte sie den Kopf. Wo kam dieses Schmuckstück denn so unverhofft her? Vor dem Sturz hatte sie es noch nicht getragen, da war Laura sich sicher. Aber es konnte ihr wohl auch kaum jemand umgelegt haben, während sie besinnungslos gewesen war – in diese einsame Gegend verirrte sich doch niemand. Und wenn doch, so hätte derjenige sie wohl kaum hilflos in dieser Wüstenei zurückgelassen.
Wie war die Kette also zu ihr gelangt?
Laura gab die Grübelei bald auf, denn sie hatte Wichtigeres zu tun: Sie brauchte endlich etwas zu essen und zu trinken; ihre Flasche enthielt nur noch einen kärglichen Rest Wasser. Außerdem musste sie so schnell wie möglich von hier wegkommen, sonst würde sie ihren Bruder niemals finden. Und die restlichen drei Zeichen der Schlange schon gar nicht!
Plötzlich stieg eine Erinnerung in Laura hoch. Worte hallten durch ihr Gedächtnis, und dahinter zeigte sich wie in einem Spiegel das Gesicht ihres Vaters. »Das Rad der Zeit ist sehr wertvoll, Laura«, flüsterte er ihr zu. »Es wird dir helfen, deine Aufgabe zu erfüllen.« Mit einem Male begriff sie, wie alles zusammenhing. Die dunklen Schleier in ihrem Kopf lichteten sich, und alles
Weitere Kostenlose Bücher