Laura - Venezianisches Maskenspiel
heimlich aus dem Hinterausgang zu stehlen.
Als sie am vereinbarten Treffpunkt ankam, sah sie ihn schon am Ufer des Kanals stehen, für sie trotz seiner Maskierung unverkennbar in seiner Haltung. Er ging ruhelos hin und her und kam ihr, als er ihrer ansichtig wurde, ungeduldig entgegen. Sie eilte auf ihn zu, immer noch voller Schuldgefühle und Sorge. Er ergriff ihre Hand, küsste sie und führte sie dann zur wartenden Gondel. Die Gondolieri trugen keine Livree, waren also offenbar für diesen besonderen Anlass von ihm gemietet worden. Sie stieg vorsichtig vom Ufer in das leise schwankende Boot und kletterte in das kleine Häuschen, das die Venezianer felse nannten. Es schützte sie nicht nur vor dem kühlen Wind, sondern auch vor den Blicken Fremder.
Ihr Kavalier schob fürsorglich Kissen hinter ihren Rücken und breitete eine warme Pelzdecke über sie, bevor er Befehl gab, die Gondel vom Ufer abzustoßen. Sie sah sich neugierig und erwartungsvoll um. In Domenicos Gondel wurden im Winter Fensterläden eingesetzt, die besser schützten, aber diese hier hatte nur schwere Samtvorhänge, die vorne und seitlich ein wenig zurückgezogen waren, sodass sie die anderen Gondeln und die Leute auf den Brücken beobachten konnte, ebenso die beleuchteten Palazzi, an deren Anlegestellen ein ständiges Kommen und Gehen herrschte. Das Licht der Fackeln und bunten Laternen spiegelte sich im dunklen Kanal und ließ die kleinen Wellen glitzern. Das Wasser trug den Schall der unzähligen Stimmen und das Gelächter weiter, brach sich an den engen Häuserwänden, hallte nach. Wenn Venedig am Tag schon lebhaft war, so wurde es besonders zur Karnevalszeit in der Nacht erst so richtig lebendig.
Sie sprachen nicht, saßen nur still nebeneinander. Laura wagte es nicht, ihn anzusehen. Ihre zitternde Aufregung verwandelte sich in eine Empfindung von Sicherheit und Geborgenheit, weil er, anstatt sie im Schutz der Kabine sofort leidenschaftlich an sich zu reißen – wie sie das erwartet und ein wenig erhofft hatte – lediglich ihre bebende Hand in seine nahm und ruhig festhielt. Er hatte ihr geschrieben, dass er mit ihr einen Ort aufsuchen würde, wo Liebespaare sich ungestört unterhalten könnten, aber zu ihrem größten Erstaunen hielt die Gondel ein wenig später vor einem festlich beleuchteten Haus, aus dessen Tor Stimmengemurmel drang. Der Gondoliere legte an, hielt die Gondel am Ufer fest, während ihr Begleiter mit einem geschmeidigen Satz an Land sprang und ihr die Hand reichte, um ihr beim Aussteigen behilflich zu sein.
Laura begriff erst jetzt, wohin er sie gebracht hatte, und schlug vor Entzücken die Hände zusammen. „Wie schön! Ich hatte Signor Patrizio gestern gebeten, mich hierher ins Theater zu begleiten, weil einer der berühmtesten Kastraten zu Besuch ist. Aber er hatte andere Verpflichtungen und meine Schwiegermutter wollte nicht dulden, dass ich alleine gehe!“
Er murmelte etwas hinter seiner Maske, das sie nicht verstehen konnte, das jedoch durchaus zufrieden klang, während er sie von oben bis unten musterte und dann ihre Maskerade noch ein wenig zurechtzog.
Sie blickte ihn fragend an. „Signore?“
„Das war sehr vernünftig. Es gehört sich nicht für eine anständige Frau, alleine ein Theater zu besuchen.“
„Jetzt klingt Ihr wie mein Mann“, sagte Laura lächelnd.
„Euer Mann?“ Man konnte sein Stirnrunzeln förmlich hören. „Ihr macht diesen Vergleich doch nicht etwa in der Absicht, mich beleidigen zu wollen?“ Er legte seine Hand unter ihren Ellbogen, führte sie ins Theater hinein und die breite Treppe hinauf, die zu den Logen führte. Er ging, weil ihr Reifrock so breit war, einen Schritt seitlich hinter ihr, und vor ihr ging sein Diener, um den Weg für sie freizumachen. Überall drängten sich die Leute. Aufgeputzte Gecken, lustige Masken, tief vermummte Galane, geschmückte, aber billige Frauen, die eindeutig einer gewissen Klasse zuzuordnen waren. Einer der Männer kam ihr zu nahe, sie wich zurück, aber dann spürte sie den verstärkten Druck der Hand ihres Begleiters, die angenehm warm und beschützend auf ihrem Ellbogen lag, und ging ruhig weiter.
Ein weiterer Diener erschien, verbeugte sich und führte sie zu einer der Logen. Er öffnete mit einer abermaligen Verbeugung die Tür und sie traten in die von Kerzen sanft erhellte Loge ein. Ihr Begleiter hatte sich offenbar viel Mühe gegeben, ihr den Abend angenehm zu machen, denn es stand nicht nur ein Tischchen darin, auf dem einige
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