Laura - Venezianisches Maskenspiel
entstehen“, fuhr er fort. „Wie Ihr wisst, ist es den Patriziern der Stadt verboten, mit ausländischen Diplomaten zu sprechen, geschweige denn, sich heimlich mit ihnen zu treffen.“
Laura betrachtete ihn eingehend. Die Augen, deren Farbe im Kerzenlicht nicht auszumachen war, das Kinn, das, wenn er den Kopf hob, unter der Maske erkennbar wurde. Ebenso wie seine Lippen, die ihren Blick fast magisch anzogen. „Ob er mich heute wieder so küssen wird?“, dachte sie sehnsüchtig.
„Oh, ja“, sagte sie laut. „Ich erinnere mich. Ein Freund von Patrizio Pompes wurde deshalb eine Woche lang in die Bleikammern gesperrt. Und er hatte, wie mein Schwager mich wissen ließ, sogar großes Glück, dass seine Strafe nicht härter ausfiel. Der Rat der Zehn und die Inquisitoren gehen sehr unnachsichtig mit Patriziern um, die gegen dieses Verbot verstoßen.“ Sie ließ ihre Finger nachdenklich über die roten Seidenrosen gleiten. „So seid Ihr also ein Diplomat, mein geheimnisvoller Herr? Franzose, Eurem Akzent nach zu urteilen?“
Er nickte nur stumm.
„Nun, wenn das so ist“, erwiderte sie mit einem leichten Seufzen, „werde ich mich wohl fügen müssen.“ Im Grunde machte ihr dieses Versteckspiel Spaß, es war romantisch und aufregend.
Ihr Begleiter war schon dabei, ihr einen Stuhl zurechtzuschieben. Laura ließ sich anmutig in dem weichen, mit rotem Samt gepolsterten Sessel nieder und beobachtete, wie er nach zwei Kristallgläsern griff und aus einer Karaffe einschenkte. Dann reichte er ihr eines der Gläser und setzte sich auf einen Stuhl neben sie.
„Auf die schönste Frau Venedigs“, flüsterte er, bevor er das Glas an seine
Lippen setzte.
Sie wusste, dass er sie anblickte, als sie ebenfalls an dem Glas nippte. Der dunkle Wein schmeckte süß und weich. „Süß wie sein Kuss“, dachte sie plötzlich. Und im selben Moment war sie wieder da, diese Unruhe, diese Vorfreude, diese Ungeduld, die sie zu ihm hinzog.
Er ergriff ihre Hand und zog sie unter seiner Maske an die Lippen. „Ihr erregt meine Sinne, mon amour. Ich begehre Euch mehr, als ich in Worte fassen kann, und meine Leidenschaft wird erst Befriedigung finden, wenn ich Euch in meinen Armen halte.“
Sie erschauerte unter seinen Worten. Eine erwartungsvolle Erregung hatte sich ihrer seit dem Kuss beim Ball bemächtigt und der Wunsch, mehr von dieser reizvollen körperlichen Nähe ihres Begleiters zu erfahren, wurde immer stärker.
In diesem Moment ertönten laute Rufe im Saal. Händeklatschen.
„Oh! Es beginnt!“ Das Orchester, das bisher nur lustige Weisen gespielt hatte, um die Leute zu unterhalten, änderte die Melodie. Ihr Cavaliere sah ihr verdutzt nach, als sie aufsprang, zur Brüstung eilte und den Vorhang wegzog. Drunten auf der Bühne stand eine kostümierte, großgewachsene, wohlbeleibte Frau und warf Kusshände ins Publikum. Laura lehnte sich nach vorn und klatschte in die Hände. „Bravo, bravo!“
Ihr Begleiter zerrte sie ein Stück zurück und zog den Vorhang energisch wieder zu. „Wenn Ihr Euch schon so lebensgefährlich über die Brüstung neigen müsst, dann nehmt zumindest die Maske, damit Euch niemand erkennt!
Außerdem: Wozu erregt Ihr Euch so? Sie hat ja noch nicht einmal zu singen begonnen!“
„Aber das ist keine Frau, sondern ein Mann!“
„Ein Mann?“ Er lugte durch die Vorhangspalte. „Ja, natürlich, der Kastrat.“
„Seit es nicht mehr verboten ist, dass Frauen auf der Bühne auftreten, habe ich aber auch schon Frauen gehört, die ebenfalls wunderbar singen!“, sagte Laura eifrig.
„Ach, ja?“, antwortete ihr Cavaliere, der sichtlich wenig Interesse an der Gesangskunst hatte. Er löschte alle Kerzen, als Laura den Sessel näher zur Brüstung zog und zwischen den Vorhängen hinausblinzelte. Die Darbietung hatte begonnen und eine weiche, volle Stimme erfüllte den Saal und die Logen. Sie lauschte atemlos, fasziniert, drehte sich nicht einmal um, als ihr ein Glas in die Hand gedrückt wurde, sondern trank nur gedankenlos, dabei die wiederholten Annäherungsversuche ihres Begleiters, der mehrmals nachschenkte, übersehend. Das samtige Getränk zeigte jedoch bald seine Wirkung, und sie fühlte, wie ihre Wangen wärmer wurden. Voller Freude über diesen Abend wandte sie sich um. Es war fast völlig dunkel in der Loge, sie konnte gerade nur seinen Schatten sehen. „Ist das nicht herr …“
Das Glas wurde ihr aus der Hand genommen, und ein entschlossenes Lippenpaar erstickte den Rest des Satzes.
Laura
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