Laura - Venezianisches Maskenspiel
fühlte seine Lippen, die über die feuchte Haut ihrer Wangen glitt. Was war das nur gewesen? Unvorstellbar! Ihr ganzer Körper hatte pulsiert, dann war sie innerlich verbrannt, und es hatte ihr auch noch Lust bereitet! Es war ganz anders gewesen als sonst – wenn sie selbst es getan hatte.
„Das war wunderbar“, hauchte sie mit geschlossenen Augen. Es war so heiß in dieser kleinen Loge. Aber nicht nur sie allein strömte Wärme aus, sondern auch er. Sie konnte ihn stärker riechen als zuvor. Seinen männlichen Duft, vermischt mit Seife und der Seide seines Hemdes.
„Dies war erst der Anfang“, erwiderte er. Sie öffnete die Augen und versuchte die Dunkelheit zu durchdringen, um sein Gesicht zu sehen. Seine Stimme hatte verheißungsvoll geklungen, aber auch ein wenig spöttisch, so, als würde er sich über sie lustig machen.
Plötzlich hörten sie Stimmen in der Loge nebenan. Eine Tür schlug zu, und dann hörte man durch die dünne Wand zum Nebenraum das schrille Lachen einer Frau, das selbst den Gesang des Sängers übertönte, der soeben eine Arie herausschmetterte, und dann die leidenschaftlichen Bekenntnisse eines offenbar schon etwas angetrunkenen Mannes.
Laura fühlte zu ihrer Bestürzung, wie ihr verführerischer Begleiter den Kopf hob. Von drüben war ein Poltern zu hören, Kichern, das erstaunlich schnell zu einem gutturalen Stöhnen anschwoll. Dann ein Aufschrei aus dem Publikum, Gelächter, das alles andere übertönte, und dann der verärgerte Redeschwall eines Besuchers vom Parkett, dem offenbar ein Hut auf den Kopf gefallen war.
„Malignazo!“, hörte Laura ihren Verführer auf typisch venezianische Art unterdrückt fluchen. Sie wollte ihn festhalten, aber da hatte er sich auch schon von ihr gelöst und erhob sich. Sie bemerkte in dem schwachen Lichtschein, dass er seine Maske wieder über das Gesicht zog. Gleich darauf flackerte eine Kerze auf, und er reichte ihr die Maske, bevor er sie sanft am Arm hochzog und ihr den Mantel umlegte.
„Gehen wir schon?“, fragte sie verwirrt.
„Natürlich“, sagte er finster. „Das hier ist nichts für Euch.“ Seine Stimme klang angewidert. „Ich bereue es, Euch überhaupt hierher gebracht zu haben.“
„Aber das Stück ist doch noch nicht zu Ende!“ Das Stück war zwar das Wenigste, was Laura im Moment interessierte, aber ihre Wünsche und Gedanken offen auszusprechen, wagte sie nicht.
„Das ist aber nicht die richtige Gesellschaft für Euch!“
Er rückte seine Perücke gerade, die unter ihren Liebkosungen völlig verrutscht war, setzte sich den Dreispitz auf und hing sich den Umhang wieder über. Laura hatte gerade noch Zeit, den wunderbaren Rosenstrauß an sich zu bringen, den sie unter keinen Umständen zurückgelassen hätte, bevor er sie ebenfalls wieder maskierte, sich vergewisserte, dass sie unkenntlich war, und sie dann aus der Loge schob.
„Es war eine dumme Idee, Euch hierher zu bringen. Dumm von Beginn an“, murmelte er, als er ihr den vom Diener gereichten Mantel umlegte und sie die Treppen hinunterführte. Sie antwortete nicht, zutiefst enttäuscht über den schnellen Aufbruch.
Ihre Gondel wartete wenige Schritte entfernt. Die Gondolieri legten vor dem Eingang zum Theater an, er sprang hinein und hob sie dann zu sich herab, wobei er sie einige Sekunden länger als nötig im Arm hielt. Sie schlüpfte in die schützende Kabine und die Gondel wurde vom Ufer abgestoßen.
Er hatte die Vorhänge nur halb zugezogen und Laura beobachtete beim Dahingleiten die Leute auf den Brücken und engen Gassen und die Insassen anderer Gondeln.
„Es war nicht dumm“, brach sie das Schweigen, bevor sie jenen Ort erreichten, an dem sie knapp zwei Stunden zuvor eingestiegen war, um sich mit ihrem geheimnisvollen Kavalier zu treffen. Sie wollte, weil er so brummig wirkte, noch etwas Freundliches hinzufügen, als sie etwas bemerkte. „Mein Gott!“, schrie sie entsetzt auf. „Die Perücke! Ich habe die Perücke vergessen! Man wird sie finden!“
„Seid unbesorgt, meine Schönste“, in seiner Stimme klang ein Lachen mit, als er ein zerzaustes, gelocktes Etwas unter seinem Mantel hervorzog.
„Ah …“, machte Laura erleichtert.
Er betrachtete die Perücke sichtlich mit Abscheu, dann holte er aus und warf sie mit weitem Schwung ins Wasser.
„Aber …!“, rief Laura empört.
„Sie war Eurer nicht würdig“, sagte er beschwichtigend.
Laura sah zu, wie die hellen Haarbüschel in den schmutzigen Wassern des Kanals versanken, und
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