Laura - Venezianisches Maskenspiel
weit gehen würde, ihm Domenico nachzuschicken. Fast hätte Laura bitter aufgelacht. Der Betrüger war von einer noch größeren Intrigantin betrogen worden. Wut und Abscheu stiegen in ihr hoch.
Sie musste Ottavio noch einmal sehen, ihn zur Rede stellen und die ganze Wahrheit aus ihm herauspressen, eher würde sie keine Ruhe finden. Aber erst morgen. Jetzt war sie zu müde – zu erschöpft. Anna deckte fürsorglich die warme Decke über sie, der Ziegelstein war angenehm warm an ihren Füßen, und sie erinnerte sich mit einem schmerzlichen Ziehen in der Brust daran, wie Domenico ihr damals, nach dem kalten Bad, die Füße massiert und gewärmt hatte.
Domenico ... Sie würde alles mit ihm klären und ihn dann verlassen. Zumindest für eine Zeit lang, bis sie sich ihrer selbst wieder sicher war und sich damit abgefunden hatte, dass er ihre Liebe niemals auf jene Weise erwidern würde, die sie sich so sehr wünschte.
Ein Mädchen brachte ihr einen Becher mit einer dampfenden Flüssigkeit. „Mit einer Empfehlung des patrone.“
Laura nippte daran. Heißer, gewürzter Wein. Sie spürte, wie er ihr warm durch die Kehle rann, ihren Körper wärmte. Ebenso wärmte wie der Gedanke, dass Domenico an sie gedacht hatte. - Auch wenn es vermutlich nur sein schlechtes Gewissen war.
Draußen war es bereits vollkommen dunkel – ein weiterer kalter Wintertag ging zu Ende. Und wenn sie Domenico verließ, warteten noch viele kalte und vor allem einsame Tage auf sie. Laura trank den Becher in kleinen Schlucken aus und stellte ihn dann neben sich auf den Nachttisch. Sie strecke sich unter der Decke aus, schloss die Augen und dämmerte dahin, war jedoch außerstande zu schlafen. Plötzlich herrschte eine ungewöhnliche Unruhe im Palazzo. Laute Stimmen. Domenicos dunkle, zornige, Sofias helle. Fremde Stimmen im Hof.
Sie schob die Müdigkeit von sich, setzte sich im Bett auf und zog an der Klingel. Anna kam herein, und trotz des schwachen Kerzenscheins sah Laura, dass sie blass war. „Was ist denn passiert? Haben wir Besuch?“
Anna sah sich um, als würde sie verfolgt werden. „Es sind die Schergen der Inquisition im Haus“, flüsterte sie. „Sie sind gekommen, um den Herrn zu holen.“
Laura schlug die Decke zurück und sprang aus dem Bett. Das Zimmer drehte sich vor ihren Augen, und sie musste sich am Bettpfosten festhalten. „Die Inquisitoren?! Aber weshalb denn?!“ Noch während sie sprach, fiel ihr Domenicos Bemerkung ein, die er an jenem Tag vor der Markuskirche über seine Widersacher im Rat hatte fallen lassen. Hatte man ihn verleumdet? Hatte er sich tatsächlich Feinde gemacht, die ihn jetzt vor Gericht schleppen ließen?
Ihre Zofe zuckte hilflos mit den Schultern. „Ich weiß es nicht, aber Signorina Sofia war dabei, vielleicht ...“ In diesem Moment wurde die Tür aufgestoßen, Sofia stürzte herein und auf Laura zu.
„Laura! Es ist etwas Schreckliches passiert!“ Sie krallte sich an sie. Laura stieß sie weg und griff nach ihrem Morgenmantel. Sie wollte an Sofia vorbei, aber die hing an ihr wie eine Klette.
„Geh mir aus dem Weg! Ich muss hinunter!“
„Es ist schon zu spät!“ Dieses Mal waren die Tränen in Sofias Augen echt. „Er ist schon fort! Sie haben ihn abgeholt!“
„Aber weshalb denn nur?!“ Laura fasste unsanft nach Sofias in kostbarer Seide steckenden Arm.
„Es war eine anonyme Anzeige. Sie sagen, er hätte heimliche Kontakte zu ausländischen Diplomaten gehabt!“
Sekundenlang war Laura sprachlos.
„Das wollte ich doch nicht ...“, stammelte Sofia weiter. „Ich wollte doch nur ...“ Der Rest des Satzes ging in einem haltlosen Schluchzen verloren.
„Was hat das mit dir ...“ In diesem Moment stieg eine furchtbare Ahnung in Laura auf. „Was hast du damit zu tun? Was hast du getan?!“ Die Briefe fielen ihr ein! Sofia hatte ja ihre Briefe gelesen! Und gewiss auch jenen Brief, in dem der geheimnisvolle Cavaliere d’Amore sie beschworen hatte, alles geheim zu halten, um diplomatische Verwicklungen zu verhindern.
„Du warst es!“, fuhr sie auf Sofia los. „Du hast eine anonyme Anzeige hinterlegt!“ Es war seit der Einsetzung der Inquisitoren fast an der Tagesordnung, dass von Denunzianten anonyme Anzeigen in den vielen, dafür vorgesehenen und in der ganzen Stadt verteilten Briefkästen hinterlegt wurden. Laura hatte zwar gehört, dass eine Anzeige alleine nicht genügte, um einen Mann zu beschuldigen, aber wer weiß, was dieses Frauenzimmer geschrieben hatte.
„Hast du
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