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Lauras Bildnis

Titel: Lauras Bildnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Boetius
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Kellergewölbes. Ich sah nichts in diesem Blick, der mich unverwandt ansah. Ich hatte jedoch das Gefühl, im Sog einer starken Strömung zu treiben.
    Manchmal lachte Laura, wenn ich übertrieb. Was ich damals unmöglich ahnen konnte, war die Tatsache, daß sie mir in Wirklichkeit kaum zuhörte.
    Es war spät geworden, und mich packte das schlechte Gewissen wegen der Kranken in meiner Wohnung. Ich stand auf und verabschiedete mich von Laura. Sie gab mir die Hand, lächelte und wünschte mir förmlich gute Nacht.
    Draußen war es stockfinster. Ich blieb einen Moment unschlüssig stehen, als hätte ich die Richtung verloren. Dann begann ich zu rennen.
    Ich muß gestehen, daß ich damals trotz meines schlechten Gewissens nicht direkt nach Hause gegangen bin. Ich machte vielmehr vor dem Seiteneingang des Museums halt, schloß auf und eilte durch die Gänge und Säle in meine Werkstatt.
    Ich vermied es, Licht anzumachen. Erst als ich die Vorhänge zugezogen hatte, knipste ich den Punktstrahler an und richtete ihn auf das Porträt, genauer gesagt, auf die Mundpartie der Gentildonna. Ich holte Watte, Holzstäbchen, eine Flasche Spiritus und eine Flasche Azeton. Dann drehte ich ein wenig von der Watte um die Spitze des Holzstabs und tauchte ihn in den Spiritus. Ich beugte mich über das Bild und fuhr nun in sanften, kreisenden Bewegungen mit der spiritusgetränkten Watte über die Lippen, die Mundwinkel, das Grübchen auf dem Kinn, die Furche, die von der Oberlippe zur Nase führt. So begann ich mit der Reinigung. Ich sah, wie die Farben intensiver wurden, wie die Lippen aussahen, als füllten sie sich mit frischem Blut. Einen zweiten Wattestab tauchte ich in Azeton. Mit den gleichen kreisenden Bewegungen begann ich, den Firnis zu entfernen.
    Nach einer guten halben Stunde hatte ich eine Fläche von der Größe eines halben Handtellers freigelegt. Der Effekt war überwältigend. Nicht nur die Frische der Farben, des Lippenrots und des Inkarnats war verblüffend. Auch die Mimik der Dargestellten veränderte sich. Ich hatte den Eindruck, als schmollte sie. Das Lächeln der Gentildonna verbarg offenbar so etwas wie eine tiefsitzende Enttäuschung, ein Widerspruch von höchstem Reiz. ‘Laura’, flüsterte ich, ‘ich kann dich nicht verstehen, vielleicht, weil du dich selbst nicht verstehst?’
    Ich schloß die Gläser mit den Chemikalien und warf die Watte in einen Behälter, in dessen Deckel ich eine passende kleine Öffnung geschnitten hatte. Dies sollte die allzu starke Wirkung der Dämpfe mindern. Ich war benommen von dem Spiritus- und Azetongeruch, wahrscheinlich, weil ich vorher zuviel getrunken hatte. Außerdem hatte ich gegen eine Grundregel des Restaurierens verstoßen: an unwichtigen Partien des Bildrandes die Wirkung des Lösungsmittels auszuprobieren, um die sanfteste Chemikalie herauszufinden. Ich hatte mich gleich über eine der wichtigsten Stellen hergemacht und Glück gehabt. Azeton schien ideal zu sein für diesen Firnis.
    So begann ich damals die Restaurierung des Bildes der Gentildonna. Gegen ein Uhr war ich in meiner Wohnung. Ich zog mich leise aus und legte mich neben meine Frau. Sie schien zu schlafen. Ich jedoch war hellwach. Ich sah im Dunkeln Lauras Gesicht und das der Gentildonna. Sie flossen ineinander. Die restaurierte Mundpartie sah wie eine Wunde aus. Der Blick der grauen Augen war ein wenig abgewandt. Starrte sie ins Leere? Die Perlenkette betonte die rosige Farbe der Haut. Zarte Schatten um Wange und Nasenflügel verrieten, daß das Licht schräg einfiel.
    Ich erhob mich so behutsam wie möglich und zog mich wieder an. Meine Frau erwachte. Sie seufzte und drehte sich auf die Seite. ‘Geht es dir besser?’ fragte ich. Ich glaubte, sie nicken zu sehen. ‘Wir feiern noch’, fuhr ich fort. ‘Ich wollte dir nur Bescheid sagen. Es wäre unhöflich, wenn ich nicht mitmachte. Ich bin bestimmt bald wieder zurück.’
    Sie seufzte noch einmal und zog sich die Decke über die Ohren. Ich schloß die Tür und eilte nach unten, wobei ich zwei, drei Treppenstufen auf einmal nahm.
    Als ich wieder im Keller war, war er fast leer. Nur Knoop war noch da und einige Studenten. Sie saßen um Laura herum. Als sie mich bemerkte, sagte sie: ‘Ich dachte, du wolltest schlafen gehen.’ Sie duzte mich also. Sie duzte auch Knoop. Ich setzte mich auf einen Stuhl, ein wenig abseits. Man reichte mir eine Flasche Bier aus dem Kasten, der unter dem Tisch stand. Alle waren müde und ziemlich betrunken. Nur Laura war nichts

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