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Lauras Bildnis

Titel: Lauras Bildnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Boetius
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schweißverklebt.
    ‘Von woher kommst du’, sagte sie, ‘wir hätten uns begegnen müssen.’ Ich erklärte es ihr. ‘Du willst Hermes spielen, war Hermes nicht ein junger Gott?’ Als sie sah, daß ich verletzt war, zog sie mich an der Hand die Treppe hoch, und dann war ich in ihrem Bett.
    Später äußerte sie den Wunsch, die Nacht in meiner Wohnung zu verbringen. Ich war glücklich über diesen Vorschlag. Als wir gingen, nahm Laura ihr Kissen mit. Sie trug es wie ein Kleinkind im Arm durch die Straßen.
    ‘Eins möchte ich wissen’, sagte sie später am Abend, als wir zum ersten Mal zusammen in den Sesseln saßen und zu lesen versuchten, obwohl uns eine innere Unruhe daran hinderte und wir vermutlich beide Seite um Seite umblätterten, ohne den Text aufzunehmen, ‘liebte Petrarca Laura wirklich, oder war sie ihm nur der Anlaß, seine offenbare Fähigkeit zu leiden zu kultivieren?’
    Sie sah mich an, als redete sie von mir.
    Ich entsinne mich, daß ich in einem fast entrüsteten Ton antwortete: ‘Natürlich liebte er sie. Daß er litt, beweist doch nur, daß er um die Möglichkeit wußte, mit ihr glücklich zu sein.’
    Als ich im Morgengrauen erwachte, sah ich Lauras Gesicht ganz nahe. Die Züge waren weich und verletzlich wie bei einem schlafenden Kind. Sie sah um Jahre jünger aus. Die Lippen standen halb offen, die Mundwinkel zuckten, als würde sie reden im Schlaf. Als ich mich bewegte, drehte sie sich um und preßte sich mit dem Rücken an mich. Ich schlief wieder ein von einer Ruhe, wie ich sie seit langem nicht mehr gekannt hatte.«

Vierter Abend

    Ich glaubte mich damals in der glücklichsten Phase meines Lebens«, begann Francesco seine vierte Beichte.
    »Ich triumphierte innerlich, daß Laura mir ihre Zuneigung so deutlich zeigte und sich sogar häuslichen Visionen unserer Freundschaft hingab. Allerdings übersah ich die Doppelnatur des Zustands, den wir Glück nennen. Einmal ist Glück etwas durchaus Negatives. Wir sind ihm ausgeliefert. Der Zufall entscheidet über Gewinn und Verlust. Wir sind Sklaven. Auf der anderen Seite ist Glück das höchste der Gefühle. Wir sind Könige, wenn wir glücklich sind.
    Wir waren oft zusammen. Wir machten lange Spaziergänge durch die Außenregionen der Stadt. Vieles kam mir fremd vor, vielleicht weil ich versuchte, mit Lauras Augen zu sehen. Laura übernachtete jetzt häufiger bei mir. Nur die Arbeit trennte uns, mit einer Ausnahme: Laura spielte zweimal die Woche Tennis mit Knoop. Mir war jedesmal schlecht vor Eifersucht. ‘Wir duschen zusammen’, sagte sie und lachte. ‘Eifersüchtige Männer sind komisch und leicht zu handhaben’, fügte sie hinzu.
    Laura telefonierte zuweilen mit ihrem Mann. Ich wußte, daß sie ihm nichts von unserer Beziehung sagte. Sie rechtfertigte sich auf meine Fragen. ‘Es ist zu weit. Das Wort ‘Liebe’ würde sich unterwegs in seine Bestandteile auflösen, in lauter Buchstaben. In L,O,V,E. Du siehst, es geht nicht. Ich werde es ihm sagen, wenn ich drüben bin.’
    Ich litt und liebte damals ohne Übergänge. Ich glaube, Schmerz und Lust sind die größten Vereinfacher der Seele, sie sind darin den Drogen oder Wahnideen, Frömmigkeit oder Haß noch überlegen. Und ist es nicht so, daß wir Vereinfachung der Verhältnisse als Glück empfinden?
    Alles, was ich tat, erlebte, dachte oder fühlte, hatte direkt oder indirekt mit meiner Liebe zu Laura zu tun. Eines Morgens entdeckte ich eine feine Linie an ihrer linken Halsseite. Wie mit dem Kurvenlineal gezogen. Ich weckte meine Freundin behutsam und fragte sie nach der Ursache der Narbe. ‘Es war Phil’, sagte sie. ‘Wir haben uns schrecklich gestritten, und er hat mich mit einer offenen Dose Katzenfutter verletzt. Auch ich habe ihm weh getan. Und jetzt tue ich es wieder.’
    Sie drehte sich auf den Bauch und vergrub ihr Gesicht ins Kissen. Ich stand auf und ging leise in die Küche, um Tee zu machen. Als ich zurückkam, war Laura fort. Ich hatte die Tür nicht gehen hören; auf dem Kopfkissen war ein nasser Fleck.
    Ich ging zur Arbeit. Seit langem war ich wieder einmal pünktlich. Den ganzen Vormittag über arbeitete ich an dem Stadtprospekt. Das viele Aceton machte mich benommen, fast betrunken. Immer wieder unterbrach ich meine Arbeit und versuchte, Laura telefonisch zu erreichen. Es kam zu keiner Verbindung, und mehr und mehr geriet ich in Panik.
    Als das Telefon klingelte, war es der Direktor. ‘Was ist los mit Ihnen’, sagte er. ‘Sie atmen so schwer.’ Ich

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