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Lauras Bildnis

Titel: Lauras Bildnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Boetius
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beteuerte, daß es mir ausgezeichnet ginge. ‘Das trifft sich gut’, sagte er. ‘Ich möchte, daß Sie für unsere drei Expressionisten den Kurier spielen. Sie gehen übermorgen auf die Reise.’ Mein Einwand, daß die Bilder einen solchen Aufwand nicht lohnten, fand kein Gehör. ‘Im übrigen finde ich es gar nicht verkehrt, wenn Sie sich mal ein bißchen auslüften, Tapetenwechsel wird Ihnen guttun.’ Als letztes Argument führte ich meine Beanspruchung wegen der Restaurierung des Stadtprospekts an. ‘Ich habe mir darüber Gedanken gemacht’, sagte er. ‘Und ich bin zu dem Schluß gekommen, daß Sie Hilfe brauchen. Wir haben bereits einen zweiten Restaurator angefordert. Es ist ein guter Mann nach meinem Eindruck. Sie werden eine erfreuliche Zusammenarbeit haben.’
    Er legte auf und ließ mich allein mit meiner Wut. Beides war ein glatter Affront. Die Kuriersache genauso wie der Zweitrestaurator. Daß die Bilder ohne Begleitung eines Fachmannes reisen konnten, hatte ich in das Protokoll geschrieben. Ich hatte sie ausreichend konserviert. Eventuelle Schäden wären bei ihrer Mittelmäßigkeit leicht zu verschmerzen. Das andere war noch ärgerlicher. Er hätte mich bei der Anwerbung eines zweiten Mannes mindestens zu Rate ziehen müssen. Beides deutete darauf hin, daß einiges in diesem Hause gegen mich lief.
    Ich nahm ein großes Tuch und legte es über die Gentildonna. Dabei kam ich mir wie ein Leichenbestatter vor. Als das Telefon wieder klingelte, war es Laura. Sie entschuldigte sich wegen ihres plötzlichen Verschwindens am Morgen. Jetzt wolle sie Holz hacken, und ich solle es ihr beibringen.
    Ich zog mich um und ging hinüber. Sie stand da in einem kanadischen Holzfällerhemd, die Haare von einem Wolltuch geschützt. Lauras Inszenierungen waren von überraschender Einfachheit, und sie waren immer von Erfolg gekrönt. Schon nach wenigen Versuchen mit der Axt konnte sie es besser als ich. Es gelang ihr immer häufiger, die Kloben exakt in zwei Hälften zu spalten. Sie fand Vergnügen daran wie ein Kind. ‘Zwei Hälften brennen besser als ein Ganzes’, sagte sie und gab mir einen Kuß.
    Als sie das nächste Scheit auf den Bock legte, fiel es von selbst auseinander. ‘Es spaltet sich von allein’, sagte ich, ‘wie du manchmal.’ Sie legte die Axt beiseite und drückte mich an sich. ‘Wir wollen es uns heute abend besonders schön machen. Nur lesen, Musik hören, Wein trinken. Und lieben.’
    Der Abend wurde eine Katastrophe. Es begann damit, daß meine Frau anrief. Sie sagte kein Wort. Sie weinte nur ins Telefon. Einfach so, leise und tonlos. Laura saß im Sessel, rauchte und beobachtete mich in meiner Hilflosigkeit. Ich brachte keinen Satz zustande.
    Es dauerte einige Zeit, bis die Verkrampfung zwischen Laura und mir sich gelöst hatte. Wir tranken den Wein ziemlich hastig und versuchten zu lesen. Aber immer wieder ertappten wir uns dabei, wie unsere Blicke aus den Buchseiten glitten.
    Ich legte eine meiner Lieblingsplatten auf. Eine Partita für Solovioline von Bach. Lauras Augen füllten sich mit Tränen. ‘Dieses Stück habe ich zweimal live mit Phil gehört. Ich muß zum erstenmal, seit ich dich kenne, wieder richtig an ihn denken.’
    Ich getraute mich nicht, die Platte zu unterbrechen. Laura sah mich an, lange und traurig. Ihre Augen schienen zu verschwimmen. ‘Komm, wir legen uns hin’, sagte sie.
    Mein Herz klopfte, es kam mir wie ein Abschied vor, wie eine Hinrichtung von Zeit, von Zukunft. Laura legte sich angezogen ins Bett, ich mich nackt neben sie. Ich wollte schutzlos sein. Nach einer Weile zog sie sich aus. Ich konnte nicht mit ihr schlafen. Zum erstenmal hatte ich das Gefühl, sie verloren zu haben.
    Mich fror. Mein Körper lag irgendwo in dieser Welt wie ein verlassenes Ding. Laura tastete nach ihm, als habe sie ihn zufällig gefunden.
    Später tranken wir Bier. Dunkles Rauchbier. Ich stellte mein Glas so ungeschickt auf den Bettrand, daß es umkippte. Ein großer brauner Fleck entstand auf dem Laken. Er hatte die Form Australiens. ‘Der kleine Fleck daneben ist Tasmanien’, sagte Laura. ‘Wo wohnt ihr?’ fragte ich. ‘Da.’ Sie bohrte den Finger ins nasse Bettuch. ‘Genau gegenüber von Tasmanien.’ Ich drehte mich auf den Bauch, so, daß er über dem nassen Fleck lag. Ich schloß die Augen und spürte dabei, wie Laura mich vorsichtig streichelte. Es half ein wenig, aber nicht gegen eine Einsamkeit, die unberührbar war, weil sie aus nichts bestand.
    Am nächsten Tag

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