Lauras Liebhaber
Ahnung.
Dem Umschlag lag noch eine Notiz bei, dass das Zimmer bis vierzehn Uhr am nächsten Tag reserviert sei und ich gern noch den Zimmerservice nutzen könnte. Nachdem ich dann wieder geheult und mich mit Selbstvorwürfen überhäuft hatte, bin ich duschen gegangen. Ich kann unter der Dusche irgendwie besser denken und mich entspannen. Ich habe mich also ein dutzend Mal von oben bis unten unter der heißen Dusche abgeschrubbt. Danach war mein Gewissen etwas beruhigt, und ich habe mir erst einmal etwas zu essen bestellt, und zwar zwei Portionen. Eine habe ich gleich dort vertilgt, und den Rest habe ich in meiner Tasche mitgenommen. Ich war halt pleite.«
Chloe schaltete die Kaffeemaschine an.
»Wow, was für eine Geschichte«, sagte Laura.
Chloe grinste schief. »Tja, was soll ich sagen, ich ziehe halt das Unglück magisch an. Knappe drei Wochen bin ich mit dem Geld ausgekommen. Ich musste noch etwas Miete für die ekelhafte WG nachzahlen, in der ich zu der Zeit gewohnt habe, weil ich mir nichts Besseres hatte leisten können.
Nach den drei Wochen hatte ich noch etwa an die zweihundert Pfund übrig, und es drängte sich mir die Frage auf, wo mein nächstes Geld herkommen sollte. Da bin ich also in ein Internetcafé gegangen, habe Edel Escort in eine Suchmaschine eingegeben und mich bei drei Agenturen vorgestellt.«
Chloe stellte einen Becher Kaffee vor Laura hin, den anderen an ihren Platz, dann setzte sie sich wieder.
»Von meinem ersten Gehalt habe ich die Kreditkarte ausgeglichen, alles danach habe ich gespart. Und nach weiteren drei Wochen konnte ich in diese Wohnung hier ziehen. Das war vor vier Jahren.«
Laura nippte an dem heißen Kaffee und schloss zufrieden die Augen, die Müdigkeit fiel langsam von ihr ab.
»Die Wohnung gehört dir, oder? Du hast sie gekauft, nicht wahr?«
Chloe sah Laura erstaunt an. »Woher weißt du das?«
»Ich habe vor einer Weile den Hausmeister getroffen, den ich bis dahin übrigens für den Vermieter gehalten habe – und er sagte, ich solle dir ausrichten, dass du dich endlich wegen der Eigentümerversammlung bei ihm melden sollst. Das war ziemlich eindeutig.«
Chloe trank einen Schluck Kaffee. »Ja, letztes Jahr habe ich sie gekauft und auf einen Schlag bezahlt. Ich habe so oft gearbeitet, wie ich konnte, weil ich besessen von der Angst war, dass ich wieder pleite sein und auf der Straße landen könnte. Irgendwann habe ich mit Robert darüber gesprochen, und er hatte Angst, dass ich mein Leben verpfuschen könnte, und riet mir, einfach etwas gegen diese Angst zu unternehmen.
Also hab ich lange nachgedacht, meinen Kontostand überprüft, einen Teil angelegt und von dem anderen diese Wohnung gekauft. Seit sie wirklich mir gehört, gehe ich im Schnitt nur noch einmal in der Woche arbeiten und habe auch fast nur noch Stammkunden. Aber irgendwann will ich natürlich von der Kunst leben können.«
Für einen Augenblick schwiegen beide und tranken ihren Kaffee. Dann fragte Laura einfach frei heraus: »Und wie fühlst du dich dabei?«
Chloe stellte ihre Tasse ab und sah Laura direkt in die Augen. »Mittlerweile gut. Am Anfang habe ich mich zeitweise gehasst. Wenn ich mich mit Männern im Hotel getroffen habe, hatte ich das Gefühl, als würde ›Hure‹ auf meiner Stirn stehen. Aber dann, irgendwann, habe ich mich im Restaurant umgesehen und festgestellt, dass sich kaum jemand dafür interessiert, wer ich bin oder mit wem ich essen gehe.
Egal, zu welcher Zeit du in einem Hotel essen gehst, es sind immer mindestens fünfzig Prozent Paare an den Tischen. Du kannst ihnen ja nicht hinter die Stirn gucken: Geschäftsessen, alte Freunde, Mann und Geliebte, Ehepaar, Escortdame und Kunde; sie können alles sein. Aus einem unerklärlichen Grund habe ich mich da zum ersten Mal so richtig entspannt.
Ich tue ja niemandem weh. Die Männer kommen freiwillig zu mir, und ich frage lieber erst gar nicht, ob sie verheiratet sind, möglicherweise Kinder haben – das geht mich nichts an. Anfangs habe ich immer nur an das Geld gedacht, die ganze Zeit. Doch das wurde mühsam, dann kam dieser Schlüsselmoment in dem Restaurant, und ich fing an, gut sein zu wollen, das Begehren in den Augen der Männer zu lesen und mich gewollt zu fühlen. So gewollt, dass die Männer sogar bereit sind, dafür Geld zu zahlen. Viel Geld.«
Chloe strich sich die Haare nach hinten. »Ich glaube, im Grunde genommen ist das das Geheimnis. Sex kannst du an jeder Ecke bekommen. Wenn du in einen schäbigen Club
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