Lauras Liebhaber
»Nein, hab ich nicht. Auch wenn es egal wäre, schließlich kannst du meine Aussage eh nicht überprüfen.«
Selbst im Dämmerlicht konnte Laura die Belustigung in Chloes Gesicht und das Zwinkern sehen.
Sie rieb sich die Augen, stand auf und streckte sich erneut. »Offensichtlich war ich ziemlich fertig, ich wollte eigentlich gar nicht schlafen.«
»Ich weiß, ich habe mich irgendwann gewundert, dass ich keinen Mucks mehr von dir gehört habe, also wollte ich nach dir sehen. Ich habe sogar deinen Namen gerufen, aber du hast gar nicht reagiert. Deswegen habe ich dich schlafen lassen – jetzt wollte ich dich wecken, damit du nicht mitten in der Nacht aufwachst und dann nicht mehr schlafen kannst.«
Laura verspürte einen leichten Hunger, dann fielen ihr schlagartig wieder die Jobsuche und Chloes Angebot ein. Energisch schob sie diesen Gedanken beiseite. »Hast du auch Hunger?«, fragte sie Chloe.
Chloe bejahte und ging voran in die Küche. »Irgendwie habe ich nicht so wirklich Lust auf Nudeln oder Toastbrot. Wollen wir was bestellen?«, wollte sie wissen.
Als sie mitbekam, wie Laura das Gesicht verzog, bereute sie ihre Frage schnell wieder. »Tut mir leid, wie dumm von mir. Wir können auch einfach Nudeln essen. Ich koch schnell welche.«
Laura ließ sich auf den Küchenstuhl fallen und stützte ihren Kopf in die Hände. »Das ist es ja: Ich habe auch nicht wirklich Lust auf Nudeln. Deswegen ärgert mich meine finanzielle Situation auch so. Ich weiß gar nicht, wie ich mir das vorgestellt habe, mit dem Geld, das ich verdient habe, hier über die Runden zu kommen. Und die ganzen furchtbaren Jobangebote, grauenvoll!«
»Meinst du, das kann ich nicht nachvollziehen?«, fragte Chloe verständnisvoll. »Ich bin auch mit hochtrabenden Hoffnungen und Vorstellungen hierhergekommen und hatte nach nur einer Woche schon kein Geld mehr, weil alles, was ich hatte, allein für das Material für die Akademie draufgegangen ist.«
Laura hob den Kopf und sah Chloe an, überlegte kurz und fragte dann: »Wie hast du das denn gelöst? Also, ich meine, hast du dann direkt angefangen als«, sie stockte, »Escort zu arbeiten?«
»Das ist eine lustige Geschichte – also eigentlich eher traurig. Ich habe doch erzählt, dass mein erster Monat hier nicht so gut gelaufen ist. Ich hatte ja die ganzen Probleme mit der Akademie, von dem Geld ganz zu schweigen. Ich hatte noch eine Kreditkarte und diese fast ganz ausgereizt, als ich Robert in dem Café getroffen habe. Nachdem er mir die entscheidenden Tipps gegeben hatte, hat er mich auf einen Cocktail in dieser berühmten Hotelbar in der Roam Street eingeladen.
Danach hat er sich verabschiedet, und ich wollte noch fünfzehn Minuten totschlagen, bis mein Bus kam. Robert war gerade einmal einen Augenblick weg, als ein gutaussehender Typ herüberkam und mir noch einen Cocktail ausgeben wollte. Eigentlich wollte ich gar nicht, aber dann überkamen mich der ganze Stress der ersten Wochen und der Gedanke, dass ich den Cocktail wenigstens nicht bezahlen musste.
Ich stimmte also zu, und aus dem Cocktail wurde auch noch ein Essen. Nach dem Essen fragte er mich dann ganz plötzlich, ob wir jetzt hochgehen sollten. Es schien irgendwie außer Frage zu stehen, dass ich vielleicht nicht wollte, sondern bloß, ob wir jetzt vielleicht noch einen Kaffee trinken und dann hochgehen oder aber sofort hochgehen sollten. Aber er war süß, hatte mir Cocktails und ein Essen ausgegeben, und ich war in Stimmung. Wir sind also hoch, haben gevögelt und ich, schon ziemlich angeheitert, weil ich vor den Drinks noch nichts gegessen hatte, bin eingeschlafen.
Als ich wieder aufgewacht bin, lag ein Briefumschlag auf dem Nachttischchen, und der Typ war weg. In dem Umschlag steckten tausend Pfund, und erst in dem Moment ist mir klar geworden, dass er mich für eine Prostituierte gehalten hat.«
Chloe machte eine Pause, stand auf und begann, die Kaffeemaschine vorzubereiten.
»Und? Was hast du gemacht?«, fragte Laura interessiert. Nachdem Chloe Kaffeepulver in den Filter gehäuft hatte, erzählte sie weiter. »Zuerst habe ich geheult. Ich habe mich so geschämt, dann habe ich das Geld noch mal gezählt und war fassungslos. Heute weiß ich natürlich etwas mehr über das Business und bin mir ziemlich sicher, dass da draußen irgendwo eine Escortdame herumläuft, die vermutlich denkt, dass ich ihr absichtlich den Kunden weggeschnappt habe. Er muss mich mit ihr verwechselt haben, oder sie ist nicht aufgetaucht. Keine
Weitere Kostenlose Bücher