Laurence Sterne: Tristram Shandy (Jubiläumsausgabe zum 300. Geburtstag des Autors) [kommentiert] (German Edition)
Geister durch verschiedene Engnisse und Umfassungen alle in grösster Verwirrung an dem gefährdeten Punkte zusammenliefen und alle oberen Regionen, wie man sich leicht vorstellen kann, so leer ließen wie meine Börse.
Trotz aller Meldungen, welche diese Boten ihm machten, war Phutatorius nicht im Stande zu ergründen, was denn eigentlich da unten vor sich gehe; er konnte sich auch entfernt keine Vermutung darüber bilden, was zum Teufel eigentlich los sei. Da er jedoch nicht wusste, welche Ursache sich herausstellen würde, hielt er es in der Lage, in der er sich befand, fürs Klügste, – es wo möglich wie ein Stoiker auszuhalten; was er mit Beihilfe einiger verzerrter Gesichter und Zusammenpressungen der Lippen hätte gewiss durchführen können, wenn seine Einbildungskraft dabei neutral geblieben wäre; – aber in Dingen dieser Art lassen sich die Ausbrüche der Phantasie nicht zügeln. – Auf einmal schoss ihm der Gedanke durch den Kopf, es könnte, obschon er in seiner Pein das Gefühl einer Glühhitze hatte, – gleichwohl ebensogut ein Biss als ein Brand sein; und dann wäre es nicht unmöglich, dass eine Eidechse oder Blindschleiche oder sonst ein abscheulicher Wurm an ihm heraufgekrochen wäre und ihn mit seinen Zähnen bearbeitete. Diese entsetzliche Idee, die mit einem erneuerten, peinvollen Brennen, das in diesem Augenblick von der Kastanie ausging, zusammentraf, versetzte Phutatorius in eine jähe Panik; – und in der ersten erschreckenden Verwirrung und Aufregung brachte es ihn, wie es schon den besten Generalen passiert ist, ganz aus dem Konzept: – er sprang unwillkürlich in die Höhe und stieß dabei jenen so viel besprochenen Ausruf der Überraschung aus, den wir mit H—t! und den langen Gedankenstrichen dahinter bezeichnet haben – welcher Ausruf allerdings nicht ganz kanonisch, aber das Geringste war, was ein Mann in dieser Lage sagen konnte – und den Phutatorius, mochte er nun kanonisch sein oder nicht, ebenso wenig in seiner Gewalt hatte, als die Ursache desselben.
In meiner Erzählung hat dies allerdings einen ziemlich großen Raum eingenommen, in Wirklichkeit aber nahm es nicht mehr Zeit in Anspruch, als Phutatorius dazu brauchte, um die Kastanie herauszulangen und sie heftig auf den Boden zu werfen, – und Yorick, um aufzustehen und sie aufzuheben.
Es ist merkwürdig, was für eine Macht ganz unbedeutende Dinge auf unser Gemüt haben – welches unglaubliche Gewicht sie auf Bildung und Leitung unserer Ansichten über Personen und Dinge üben! wie Kleinigkeiten, leicht wie die Luft, einen Glauben in die Seele wehen, und so felsenfest darin pflanzen – dass, wenn man Euclid's Beweise in Batterie gegen sie aufführen würde, diese durchaus nicht im Stande wären, jene niederzuwerfen.
Ich sagte, Yorick habe die Kastanie aufgehoben, die Phutatorius im Zorn auf den Boden geworfen: – diese Handlung war an sich gewiss unbedeutend; – ich muss mich schämen, nur davon zu sprechen; – er tat es – aus keinem anderen Grunde, als weil er dachte die Kastanie sei durch den Vorgang nicht um ein Jota schlechter geworden; – und weil er glaubte, eine gute Kastanie sei schon der Mühe wert, dass man sich deshalb bücke. – Aber dieser Umstand, so unbedeutend er war, wirkte in Phutatorius' Kopfe ganz anders. Er betrachtete Yorick's Aufstehen vom Stuhle und Aufheben der Kastanie als ein klares Zugeständnis, dass die Kastanie ursprünglich sein gehört habe; – und dass es somit der Eigentümer der Kastanie und Niemand anderes gewesen sein müsse, der ihm jenen Streich mit derselben gespielt habe. Was ihn sehr in dieser Ansicht bestärkte, war der Umstand, dass der Tisch ein längliches Rechteck und sehr schmal war, wodurch Yorick, der Phutatorius gerade gegenüber saß, die schönste Gelegenheit erhielt, ihm die Kastanie hinein zu praktizieren; – und demnach hatte er es auch getan. Der mehr als argwöhnische Blick, den Phutatorius auf Yorick warf, als diese Idee in ihm auftauchte, drückte seine Meinung nur zu deutlich aus; – und da man natürlich annahm, Phutatorius müsse die Sache besser wissen als irgend Einer, so wurde seine Ansicht sofort die allgemeine; und aus einem Grunde, der von allen bisher angeführten völlig verschieden ist, in kürzester Zeit ganz zweifellos.
Wenn auf der Bühne dieser sublunarischen Welt große oder unerwartete Ereignisse eintreten, – so eilt der Geist in seinem Forschereifer alsbald hinter die Kulissen, um zu sehen, welches die Ursache und
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