Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Laurence Sterne: Tristram Shandy (Jubiläumsausgabe zum 300. Geburtstag des Autors) [kommentiert] (German Edition)

Laurence Sterne: Tristram Shandy (Jubiläumsausgabe zum 300. Geburtstag des Autors) [kommentiert] (German Edition)

Titel: Laurence Sterne: Tristram Shandy (Jubiläumsausgabe zum 300. Geburtstag des Autors) [kommentiert] (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laurence Sterne
Vom Netzwerk:
auf keinen anderen Gedanken kommen. In Wahrheit aber vernahm Phutatorius nicht ein Wort, nicht eine Silbe von dem, was um ihn vorging; – all sein Denken und Sinnen war vielmehr von einem Vorfall in Anspruch genommen, der in diesem Augenblick innerhalb der Räume seiner Pluderhosen und zwar in demjenigen Teile derselben vorging, den er vor Allem vor Unfällen zu wahren bestrebt war. Ungeachtet er daher mit der scheinbar äußersten Aufmerksamkeit dreinschaute, und allmählich jede Nerve und Muskel in seinem Gesicht bis zu dem höchsten Strich anspannte, den das Instrument ertrug, um, wie Alles glaubte, Yorick, der ihm gerade gegenüber saß, eine scharfe Antwort zu geben, – so war doch in keinem Winkel von Phutatorius' Gehirn ein Yorick zu finden; – die wahre Ursache seines Ausrufs war vielmehr eine gute Elle tiefer unten zu suchen.
    Ich will versuchen, Ihnen dies so anständig als immer möglich auseinanderzusetzen.
    Sie müssen also wissen, dass Gastripheres etwas vor dem Essen einen Gang nach der Küche gemacht hatte, um zu sehen, wie die Sachen dort stünden. Hier hatte er einen Weidenkorb voll schöner Kastanien auf dem Anrichttisch bemerkt und angeordnet, dass man ein paar hundert rösten und gleich nach dem Essen hereinbringen möchte; – wobei Gastripheres seine Anordnung noch durch die Bemerkung verstärkte, dass Didius und besonders Phutatorius sie gar zu gerne äßen.
    Etwa zwei Minuten ehe mein Onkel Toby Yoricks Rede unterbrach, – waren die Kastanien hereingebracht worden; – und da der Kellner sich gemerkt hatte, dass sie ein Leibgericht von Phutatorius seien, hatte er sie noch ganz heiß in eine saubere Damastserviette gehüllt vor diesen hingesetzt.
    Da es nun physisch unmöglich war, dass, wenn ein Halb Dutzend Hände zumal in die Serviette fuhren, nicht eine oder die andere Kastanie, die etwas mehr Leben und Rundung als die übrigen besaß, in Bewegung geriet, – so geschah es, dass eine wirklich über den Tisch hinrollte; und da Phutatorius mit ausgespreizten Beinen da saß, – fiel sie senkrecht in diejenige Öffnung von Phutatorius Hosen, für welche, zur Schmach und Schande unserer Sprache sei es gesagt, im ganzen Wörterbuch von Johnson kein anständiges Wort zu finden ist; – es genüge, wenn ich sage, dass es diejenige eigentümliche Öffnung war, welche in allen guten Gesellschaften nach den Anforderungen der Wohlanständigkeit stets so strenge geschlossen sein muss wie der Tempel des Janus (wenigstens in Friedenszeiten).
    Die Vernachlässigung dieser Anstandsregel von Seiten des Phutatorius (es sollte dies für Jedermann eine Warnung sein) hatte jenem Zufall das Tor geöffnet.
    Zufall nenne ich es nach der allgemein angenommenen Sprechweise, – will mich aber nicht im Widerspruch mit den Ansichten von Acrites oder Mythogeras hierüber setzen; ich weiß wohl, sie beide waren vollkommen überzeugt – und sind es noch bis auf diese Stunde, dass von Zufall bei dem ganzen Vorfall nicht die Rede war. – dass vielmehr der Umstand, dass die Kastanie jenen eigentümlichen Lauf nahm und zwar aus freiem Antrieb – und dann in all ihrer Glut gerade auf jenen Ort fiel und keinen andern – eine Art Gottesurteil gegen Phutatorius wegen der schmutzigen, unanständigen Abhandlung de Koncubinis retinendis bildete, die Phutatorius etwa 20 Jahre früher herausgegeben hatte – und von der er gerade in dieser Woche der Welt eine zweite Auflage schenken wollte.
    Es ist nicht meines Amts, mich in diesen Streit zu mischen; – es lässt sich unzweifelhaft von beiden Seiten viel darüber sagen; Alles was mir als Geschichtsschreiber obliegt, ist, die Tatsache zu schildern und es dem Leser glaubhaft zu machen, dass der Hiatus in Phutatorius' Hosen groß genug war, um die Kastanie durchzulassen; – und dass die Kastanie senkrecht herabfiel und noch ganz heiß hinein glitt, ohne dass es Phutatorius oder sonst Jemand anfangs bemerkt hätte.
    In den ersten 20 oder 25 Sekunden war die natürliche Wärme, welche die Kastanie mitteilte, nicht unangenehm; und lenkte Phutatorius' Aufmerksamkeit nur ganz gelinde auf den Punkt: – aber die Hitze nahm allmählich zu und stieg in wenig Sekunden zu einer Höhe, die über das Vergnügen hinaus war, ging dann rasch auf das Gebiet des Schmerzes über, so dass die Seele des Phutatorius alle ihre Ideen, Gedanken, ihre Aufmerksamkeit, Phantasie, Urteilskraft, Entschließung, Überlegung, Folgerungskraft, Erinnerung in Verbindung mit zehn Bataillonen animalischer

Weitere Kostenlose Bücher