Laurence Sterne: Tristram Shandy (Jubiläumsausgabe zum 300. Geburtstag des Autors) [kommentiert] (German Edition)
und indem er dies tat, begreifen die Gelehrten, dass er seine eigene aufrichtete und ausbaute.
154. Kapitel
Das ganze Geheimnis der Gesundheit, sagte mein Vater, indem er seinen Satz von Neuem begann, beruht offenbar auf dem gehörigen Kampf zwischen der radikalen Hitze und der radikalen Feuchtigkeit in uns; – und es hätte die denkbar geringste Geschicklichkeit genügt, um denselben zu erhalten, hätten die Schulgelehrten die Sache nicht in Verwirrung gebracht und (wie der berühmte Chemiker van Helmont dargetan) die radikale Feuchtigkeit mit dem Talg und Fett der animalischen Körper verwechselt.
Nun ist aber die radikale Feuchtigkeit nicht der Talg oder das tierische Fett, vielmehr eine ölige und balsamische Substanz; denn das Fett oder der Talg sind kalt, wie auch der Schleim oder die wässerigen Teile; während die öligen und balsamischen Teile eine lebendige Hitze und Geist besitzen, womit die Bemerkung des Aristoteles stimmt: Quod omne animal post coitum est triste .
Nun ist es aber sicher, dass die radikale Hitze in der radikalen Feuchtigkeit vorhanden ist, ob auch vice versa ist zweifelhaft; wenn jedoch die eine zu Grunde geht, tut es auch die andere; und dann wird entweder eine unnatürliche Hitze erzeugt, welche eine unnatürliche Trockenheit hervorbringt, – oder eine unnatürliche Feuchtigkeit, welche Wassersucht erzeugt; – wenn man daher ein Kind beim Heranwachsen nur soweit bringt, dass es nicht in das Feuer oder das Wasser rennt, da diese beiden ihm Untergang drohen, – so ist Alles geschehen, was in dieser Beziehung getan werden kann.
155. Kapitel
Die Schilderung der Belagerung von Jericho hätte die Aufmerksamkeit meines Onkels Toby nicht mächtiger in Anspruch nehmen können als das letzte Kapitel; – er hielt während desselben die Augen fest auf meinen Vater gerichtet, – niemals nannte dieser die radikale Hitze und radikale Feuchtigkeit, ohne dass mein Onkel Toby die Pfeife aus dem Munde nahm und den Kopf schüttelte. Sobald aber das Kapitel zu Ende war, winkte er den Korporal näher an seinen Stuhl heran, und fragte ihn das Folgende bei Seite: * * * * * *?
Es war bei der Belagerung von Limerick, Euer Gnaden, erwiderte der Korporal mit einer Verbeugung.
Der arme Bursche und ich, sagte mein Onkel Toby zu meinem Vater, waren zur Zeit da die Belagerung von Limerick aufgehoben wurde, ganz aus demselben Grunde, den du eben erwähnt hast, kaum im Stande aus unseren Zelten zu kriechen. – Was mag dir wieder in deinen kostbaren Schädel geflogen sein, mein teurer Bruder Toby! sagte mein Vater bei sich selbst. – So wahr Gott lebt, fuhr er immer bei sich selbst fort, ein Ödipus könnte verzweifeln es herauszubringen!
Ich glaube, Euer Gnaden, sagte der Korporal, wenn wir nicht alle Abend so viel Branntwein heiß gemacht hätten, und wenn ich Euer Gnaden nicht mit Claret und Zimmet zugesetzt hätte – Und mit Wachholderbranntwein, Trim, setzte mein Onkel Toby hinzu, der uns besser tat als alles Übrige. – Ja, ja, fuhr der Korporal fort, wenn das nicht gewesen wäre, ich glaube wahrhaftig, wir hätten unser Leben in den Trancheen gelassen, Euer Gnaden, und wären drin begraben worden. – Das edelste Grab, Korporal, rief mein Onkel Toby mit funkelnden Augen, in dem ein Soldat zu liegen wünschen kann! – Aber ein elender Tod, Euer Gnaden, erwiderte der Korporal.
Das Alles war für meinen Vater ebensoviel Arabisch als die religiösen Gebräuche der Colcher und Troglodyten es für meinen Onkel Toby gewesen waren; mein Vater wusste nicht, ob er sich ärgern oder lachen sollte.
Mein Onkel Toby wendete sich hierauf gegen Yorick, und setzte diesem den Fall mit Limerick deutlicher aneinander, als er ihn begonnen hatte, – und machte die Sache so zugleich meinem Vater klar.
156. Kapitel
Gewiss war es ein großes Glück für mich und den Korporal, sagte mein Onkel Toby, dass wir während der ganzen 25 Tage, da wir die Ruhr im Lager hatten, in einem hitzigen Fieber lagen, das von einem wütenden Durst begleitet war; sonst würde das, was mein Bruder die radikale Feuchtigkeit nennt, unvermeidlich die Oberhand gewonnen haben. – Mein Vater zog möglichst viel Luft in seine Lungen und atmete sie, während er empor sah, dann so langsam aus als er nur immer konnte.
Es war offenbar die himmlische Barmherzigkeit, fuhr mein Onkel Toby fort, die es dem Korporal eingab, jenen nötigen Kampf zwischen der radikalen Hitze und der radikalen Feuchtigkeit dadurch
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