Laurence Sterne: Tristram Shandy (Jubiläumsausgabe zum 300. Geburtstag des Autors) [kommentiert] (German Edition)
Alliierten, die so energisch vorwärts drückten, dass sie ihm kaum zum Mittagessen Zeit ließen, er nichts desto weniger Dendermonde aufgab, obgleich er sich bereits in der Kontreescarpe einlogiert hatte, – und alle seine Gedanken dem Elend in dem Wirtshause zuwendete. Ja, er ließ nicht nur das Gartentor zusperren, wodurch er so zu sagen die Belagerung von Dendermonde in eine Blockade verwandelte, – sondern gab Dendermonde überhaupt auf – und kümmerte sich nichts mehr darum, ob der König von Frankreich entsetzen wollte oder nicht; und dachte nur noch darüber nach, wie er dem armen Lieutenant und seinem Sohn helfen könne.
Jenes gütige Wesen, welches der Freund der Freundlosen ist, möge es dir lohnen.
Du hast diese Sache nur halb getan, sagte mein Onkel Toby zu dem Korporal, als dieser ihn zu Bett brachte, – und ich will dir sagen in wie fern, Trim. – Erstens, als du Le Fever meine Dienste anbotest, – da hast du ihm nicht auch meine Börse angeboten – und doch sind Krankheit und Reisen beide kostspielig, und du wusstest auch, dass er als armer Lieutenant mit seinem Sohn lediglich von seiner Gage leben muss; – du weißt aber, Trim, wenn er meiner Börse bedurfte, so stand sie ihm ebenso zu Gebot, wie mir selbst. – Euer Gnaden wissen, ich hatte hierüber keine Befehle. – Das ist richtig, versetzte mein Onkel Toby, – du hattest ganz Recht als Soldat, Trim, – aber gewiss sehr Unrecht als Mensch.
Zweitens, und dabei hast du freilich die gleiche Entschuldigung, fuhr mein Onkel Toby fort – hättest du, als du ihm Alles anbotest was sich in meinem Hause befinde, – ihm auch mein Haus selbst anbieten sollen. – Ein kranker Kamerad sollte das beste Quartier haben, Trim, und wenn er bei uns wäre, – könnten wir ihn pflegen und nach ihm sehen. – Du selbst bist ein trefflicher Krankenwärter, Trim, – und durch deine Sorgfalt und die der alten Frau und des Jungen und die meinige dazu könnten wir ihn wieder herrichten und auf die Beine bringen.
In vierzehn Tagen, in drei Wochen, setzte mein Onkel Toby lächelnd hinzu, wäre er marschfähig. – Euer Gnaden, der wird in dieser Welt nie mehr marschfähig, sagte der Korporal. – Er wird marschfertig, sagte mein Onkel Toby, und stand von der Bettseite auf, mit nur einem Schuh am Fuß. – Euer Gnaden, versetzte der Korporal, er wird nirgends mehr hinmarschieren als nach seinem Grab. – Und er soll marschieren, rief mein Onkel Toby und streckte den Fuß, an dem er einen Schuh hatte, aus, ohne jedoch einen Zoll weit vorwärts zu kommen, – er soll zu seinem Regiment marschieren. – Er kann's nicht durchmachen, sagte der Korporal. – Man wird ihn stützen, rief mein Onkel Toby. – Er wird abfahren, sagte der Korporal, und was wird dann aus dem Jungen werden? – Er soll nicht abfahren, sagte mein Onkel Toby fest. – Ach du meine Güte! wir mögen für ihn tun, was wir wollen, sagte Trim, der seinen Satz festhielt, die arme Seele wird doch sterben. – Und er soll nicht sterben, bei Gott! rief mein Onkel Toby.
Der anklagende Geist, der diesen Schwur in die Kanzlei des Himmels trug, errötete, als er ihn vorlegte, – und der einregistrierende Engel, ließ, als er ihn niederschrieb, eine Träne auf das Wort fallen, die es für immer auslöschte.
170. Kapitel
Mein Onkel Toby ging nach seinem Schreibtisch, – steckte seine Börse in seine Hosentasche, und ging, nachdem er dem Korporal befohlen hatte, morgen in aller Frühe nach einem Doktor zu gehen, – zu Bett, wo er alsbald in Schlaf verfiel.
171. Kapitel
Fortsetzung der Geschichte Le Fever's.
Am nächsten Morgen leuchtete die Sonne hell in Jedermanns Auge in dem Dorfe, nur nicht in Le Fever's und seines betrübten Sohnes. Die Hand des Todes drückte schwer auf die Augenlider des Ersteren; und das Rad des Ziehbrunnens drehte sich mit Mühe herum, – als mein Onkel Toby, der eine Stunde vor seiner gewohnten Zeit aufgestanden war, in das Zimmer des Lieutenants trat und sich ohne Vorrede oder Entschuldigung auf den Stuhl am Bette setzte und unbekümmert um alle Moden und Bräuche den Vorhang öffnete, wie es ein alter Freund und Kamerad getan haben würde, und ihn fragte, wie er sich befinde? – wie er diese Nacht geruht habe? – worüber er zu klagen habe? – wo er Schmerzen fühle? – und was er für ihn tun könne? Und ohne ihm Zeit zu lassen, eine dieser Fragen zu beantworten, fuhr er fort und teilte ihm den kleinen Plan mit, den er am Abend vorher mit dem
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