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Laurence Sterne: Tristram Shandy (Jubiläumsausgabe zum 300. Geburtstag des Autors) [kommentiert] (German Edition)

Laurence Sterne: Tristram Shandy (Jubiläumsausgabe zum 300. Geburtstag des Autors) [kommentiert] (German Edition)

Titel: Laurence Sterne: Tristram Shandy (Jubiläumsausgabe zum 300. Geburtstag des Autors) [kommentiert] (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laurence Sterne
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und hätte hineingeschaut – die Seele in ihrer Nacktheit betrachtet, – alle ihre Bewegungen und Regungen bemerkt – alle ihre Grillen von ihrem Entstehen bis zu ihrem zum Vorscheinkommen beobachtet – ihre Luftsprünge, ihre Purzelbäume und sonstige Possen mit angesehen, auch ihr feierlicheres Benehmen unmittelbar nach solchen Sprüngen wohl gemerkt – und dann Feder und Tinte genommen und eben nur niedergeschrieben, was man gesehen und was man beschwören konnte. – Allein diesen Vorteil besitzt ein Biograph auf unserem Planeten leider nicht; – auf dem Merkur mag er es vielleicht so finden; wo nicht noch besser – denn dort muss die intensive Hitze des Landes, die auf Grund seiner Sonnennähe als derjenigen des Rotglüheisens gleich berechnet worden ist – meiner Ansicht nach längst die Körper der Bewohner (als wirkende Ursache) zu Glas verwandelt haben, um sie dem Klima (das die Endursache ist) anzupassen, so dass zwischen ihnen beiden das ganze Anwesen ihrer Seelen von Oben bis Unten, was auch die trefflichste Philosophie dagegen sagen mag, nichts Anderes sein kann als ein feiner durchsichtiger Körper von hellem Glas (die Nabelgegend abgerechnet) – so dass bis zu dem Zeitpunkt, wo die Bewohner alt und einigermaßen runzlig werden, in Folge dessen dann die Sonnenstrahlen bei ihrem Hindurchgehen sich so merkwürdig brechen – oder in solchen Kreuz- und Querlinien von der Oberfläche nach dem Auge zurückstrahlen, dass man nicht mehr hindurch sehen kann – die Seele (es sei denn Anstands halber oder wegen des geringen Vorteils, den ihr der Nabel gewährte,) – in jeder anderen Beziehung den Narren gerade so gut außer dem Hause als drinnen spielen könnte.
    Allein dies ist, wie ich schon oben bemerkte, bei den Erdenbewohnern nicht der Fall; – unsere Seelen scheinen nicht durch den Körper hindurch, – sondern sind in eine dunkle Hülle von unkristallisiertem Fleisch und Blut gepackt, so dass, wenn wir den spezifischen Charakter derselben kennen lernen wollen, wir schon einen anderen Weg dazu einschlagen müssen.
    Mancherlei sind allerdings die Wege, welche der menschliche Scharfsinn gehen musste, um ein genaues Resultat in dieser Beziehung zu erhalten.
    Einige zum Beispiel bestimmen alle ihre Charaktere nach Blasinstrumenten – diesen Weg schlägt Virgil in der Geschichte mit Dido und Äneas ein – aber dieser Weg ist so trügerisch wie das Blasen der Fama; – und deutet überdies auf einen beschränkten Geist. Es ist mir nicht unbekannt, dass die Italiener behaupten, sie bestimmen eine besondere Art von Charakteren unter ihnen mit matematischer Sicherheit nach dem Forte oder Piano gewisser bei ihnen im Gebrauch befindlicher Blasinstrumente – und sie sagen, das sei ganz untrüglich. – Ich wage es nicht, dieses Blasinstrument hier mit Namen zu nennen; – es genüge, wenn ich sage, wir haben es auch – doch fällt es uns nicht ein, damit ein Tongemälde, eine Charakterzeichnung zu machen; – ich spreche hier in Rätseln, und zwar absichtlich, wenigstens ad populum; – und deshalb bitte ich Sie auch, Madame, wenn Sie an diese Stelle kommen, so schnell als möglich weiter zu lesen und ja keine Frage darüber zu stellen.
    Dann gibt es wieder Andere, welche den Charakter eines Menschen lediglich nach dessen Ausleerungen bestimmen wollen; – dabei erhält man aber oft sehr ungenaue Umrisse – wenn man nicht zugleich auch eine Skizze seiner Wiederauffüllungen entwirft; und indem man die eine Zeichnung durch die andere korrigiert, so aus beiden die richtige Figur zu gewinnen sucht.
    Ich habe gegen diese Methode nichts einzuwenden, nur glaube ich, dass sie zu stark nach der Studierlampe riecht – und dadurch noch lästiger wird, dass sie uns zwingt, durch die übrige Nonnaturalia des Menschen ins Auge zu fassen. – Warum man die allernatürlichsten Tätigkeiten im Menschenleben seine Nonnaturalia heißt – ist wieder eine andere Frage.
    Dann gibt es viertens noch Andere, welche alle diese Auskunftsmittel verachten – nicht etwa weil sie besonders reich an eigenen sind, sondern weil sie den ehrenwerten Erfindungen, welche die pentagraphischen Brüder vom Pinsel zu Anfertigung von Kopien aufgebracht haben, verschiedene Mittel und Wege entlehnten. – Das, müssen Sie wissen, sind unsere großen Geschichtsschreiber.
    So sehen Sie, wie der Eine einen Charakter in Lebensgrösse gegen das Licht aufnimmt – das ist nicht liberal – nicht ehrlich – und sehr hart für den Charakter des

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