Laurence Sterne: Tristram Shandy (Jubiläumsausgabe zum 300. Geburtstag des Autors) [kommentiert] (German Edition)
– wenn er mordet, wird da nicht das Gewissen bei jeder solchen Handlung selbst einen Stoß bekommen? – Das wohl – der Mensch hat die Sache aber gebeichtet, dadurch wird der Stoß gemildert, und in kürzester Zeit bringt die Absolution vollkommene Heilung. O Papsttum, o Pfaffentum! was hast du Alles zu verantworten! – Nicht zufrieden mit den vielen natürlichen schlimmen Wegen, auf denen das Herz des Menschen täglich sich selbst hinters Licht zu führen sucht, – hast du diesem unvorsichtigen Wanderer noch absichtlich das offene Tor des Betrugs vor die Nase gerückt – diesem Menschen, der leider Gottes nur zu sehr geneigt ist, von selbst schon in der Irre zu schweifen und sich vertrauensvoll in Frieden zu lullen, wo doch kein Frieden ist.
Diese allgemeinen, dem Leben entnommenen Beispiele sind zu bekannt, um eines Beweises zu bedürfen. Wenn Jemand an ihrer Tatsächlichkeit zweifeln oder es für unmöglich halten sollte, dass ein Mensch so an sich selbst zum Betrüger werden könne, – muss ich ihn an sein Nachdenken verweisen, und sein eigenes Herz wird mein Wort bestätigen müssen.
Wenn der Mensch bedenkt, wie sehr verschieden der Grad von Abscheu ist, womit man eine Menge schlechter Handlungen betrachtet, die ihrer Natur nach doch ganz gleich schlecht und verwerflich sind – so wird er bald finden, dass diejenigen derselben, zu denen ihn eine starke Neigung und Gewohnheit hingetrieben hat, gewöhnlich mit all den falschen Reizen, die ihnen eine sanfte, schmeichlerische Hand verleihen kann, ausgestattet und ausgemalt werden; – und dass die anderen, zu denen er keine Neigung verspürt, ihm in ihrer ganzen Nacktheit und Abscheulichkeit erscheinen und all die wirklichen Kennzeichen der Torheit und Schlechtigkeit an sich tragen.
Als David den schlafenden Saul in der Höhle beschlich und ihm einen Zipfel seines Gewands abschnitt – da lesen wir, dass ihm das Herz wegen seiner Tat schlug; – aber in der Angelegenheit des Uriah, wo ein getreuer und tapferer Dieser, den er allen Grund zu lieben und zu ehren hatte, fallen musste, damit er seine Lüste befriedigen konnte – wo das Gewissen also weit mehr Grund gehabt hätte in Aufruhr zu geraten, da schlug ihm das Herz nicht. Fast ein ganzes Jahr war seit Verübung dieses Verbrechens vergangen, bis Natan gesandt wurde, um ihm Vorhalt darüber zu machen, und wir lesen nirgend, dass er die geringste Reue oder Zerknirschung über seine Tat während dieser ganzen Zeit kund gegeben hätte.
So nimmt das Gewissen, dieser einst so gewaltige Mahner, der als ein Richter in uns bestellt ist und der nach der Absicht unseres Schöpfers ein gerechter und unparteiischer Richter sein sollte,. – in Folge einer unseligen Reihe von Beweggründen und Hindernissen oft eine so unvollkommene Kenntnis von dem was vorgeht, – tut seine Pflicht so nachlässig – bisweilen so parteiisch – dass man sich durchaus nicht darauf verlassen kann, und deshalb halten wir es für notwendig, für durchaus notwendig, noch ein anderes Prinzip mit ihm zu verbinden, um seinen Entschlüssen nachzuhelfen, wo nicht sie zu lenken.
Wenn ihr euch daher ein richtiges Urteil über das bilden wollt, was für euch von grösster Wichtigkeit ist, damit ihr nicht irre geht, – nämlich über die Frage, welchen Grad von Verdienst ihr wirklich besitzet, sei es als ein ehrlicher Mann, oder als ein nützlicher Bürger, als ein getreuer Untertan eures Königs oder als ein frommer Diener eures Gottes – so müsst ihr noch Religion und Sittlichkeit beiziehen. Was steht in dem Wort Gottes geschrieben? – Wie liesest du es?
Ziehe die ruhige Vernunft und die unwandelbaren Verpflichtungen der Rechtschaffenheit und Wahrheit zu Rate; – was sagen sie dir?
Dann mag dein Gewissen auf Grund der Berichte dieser die Sache entscheiden; – und wenn dich dein Herz dann nicht verdammt, welches der Fall ist, den der Apostel annimmt – dann wird die Regel unfehlbar sein; – (Hier schlief Dr. Slop ein.) – Du wirst Vertrauen zu Gott haben; – das heißt, du wirst einen guten Grund haben, um zu glauben, dass das Urteil, das du über dich selbst gefällt hast, das Urteil Gottes ist; dass es nichts anderes ist als ein Vorschmack jenes gerechten Richterspruches, welcher dereinst durch dasjenige Wesen über dich ausgesprochen werden wird, welchem du am Ende aller Dinge über dein Tun und Lassen wirst Rechenschaft ablegen müssen.
Selig wird dann wirklich der Mensch sein, wie Jesus Sirach sagt, der nicht durch die
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