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Laurence Sterne: Tristram Shandy (Jubiläumsausgabe zum 300. Geburtstag des Autors) [kommentiert] (German Edition)

Laurence Sterne: Tristram Shandy (Jubiläumsausgabe zum 300. Geburtstag des Autors) [kommentiert] (German Edition)

Titel: Laurence Sterne: Tristram Shandy (Jubiläumsausgabe zum 300. Geburtstag des Autors) [kommentiert] (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laurence Sterne
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richtigeres Maß ermessen werden, als den Grad seines eigenen Beifalls oder Tadels.
    Ich gebe zu, dass ein Mensch, wenn sein Gewissen ihn anklagt, wirklich schuldig ist (da es in dieser Beziehung selten irre geht), und den Fall der Melancholie und Hypochondrie ausgenommen, dürfen wir dann beruhigt aussprechen, dass genügende Gründe zur Anklage vorliegen. Aber der umgekehrte Satz hält keineswegs Stich – nämlich, dass wo eine Schuld vorliege, das Gewissen auch notwendig anklagen müsse; und dass wenn es dies nicht tue, der Mensch deshalb unschuldig sei. – Dies ist keineswegs der Fall. – Somit ist aber auch der allgemeine Trost, womit sich mancher gute Christ oder Nichtchrist täglich beruhigt: – dass ihn Gott sei Dank sein Herz nicht anklage, und dass er ein gutes Gewissen habe, weil er ein ruhiges hat – ein trügerischer; – und so landläufig auch diese Folgerung ist und so unfehlbar die Regel auf den ersten Anblick scheinen mag. so erkennt man doch, wenn man sie näher ins Auge fasst und die Wahrheit der Regel an klaren Tatsachen untersucht – dass sie bei falscher Anwendung eben soviel Irrtümern unterworfen ist; – dass der Grundsatz, auf dem sie beruht, so oft verkehrt wird – ihre ganze Kraft verloren geht und oft so elend verschleudert wird, dass man nur mit Mühe die alten gewöhnlichsten Beispiele aus dem Menschenleben, welche den Satz bestätigen, zusammenbringt.
    Angenommen ein Mann lebe lasterhaft, durchaus grundsatzlos; – vorwurfsvoll in seinem Benehmen gegenüber der Welt; er lebe wirklich schamlos und begehe eine Sünde, welche keine Vernunft, kein Vorwand rechtfertigen kann, – eine Sünde durch die er, aller Humanität entgegen, die betrogene Genossin seiner Schuld für immer zu Grunde richtet; – er beraube sie ihres besten Schatzes, und häufe nicht nur Schande auf ihr Haupt; – sondern stürze zugleich eine ganze tugendhafte Familie in Schmach und Kummer. Sollte man da nicht denken, dass das Gewissen einem solchen Manne das Leben sauer mache, dass ihm die Vorwürfe desselben Tag und Nacht keine Ruhe lassen?
    Ach das Gewissen hat die ganze Zeit über etwas ganz anderes zu tun, als über ihn herzufallen; gerade wie Elias dem Gotte Baal vorwarf, – dieser Hausgott war entweder gerade in einem Gespräch begriffen, oder verfolgte irgend einen Zweck, oder war er verreist, oder schlief er zufällig und konnte nicht erweckt werden.
    Vielleicht war er ehrenvoll in Gesellschaft ausgezogen, um ein Duell auszufechten, eine Spielschuld zu entrichten; – oder ein schändliches Jahrgeld, den Sold seiner Sinnenlust auszubezahlen. Vielleicht war das Gewissen die ganze Zeit über tüchtig beschäftigt, zog laut gegen kleine Diebstähle los, und bestrafte jene geringen Vergehen, vor denen ihn Vermögen und Lebensstellung schützte; so dass er ebenso vergnügt lebt (wenn er unserer Kirche angehörte, könnte er das doch nicht, bemerkte Dr. Slop), ebenso gesund in seinem Bette schläft – und endlich dem Tod ebenso ruhig entgegen sieht – ja vielleicht noch viel ruhiger als ein weit besserer Mann.
    (Das Alles wäre bei uns unmöglich, sagte Dr. Slop, indem er sich gegen meinen Vater wendete, das könnte in unserer Kirche nicht vorkommen. – In unserer aber kommt es leider nur zu oft vor, erwiderte mein Vater. – Ich gebe zu, versetzte Dr. Slop, den das offene Zugeständnis meines Vaters doch etwas außer Fassung brachte, dass ein Mensch in der römischen Kirche ebenso schlecht leben könnte, aber so leicht sterben könnte er dann nicht. – Es tut nichts zur Sache wie ein Schuft stirbt, bemerkte mein Vater in einem gleichartigen Tone. – Ich will damit sagen, erwiderte Dr. Slop, dass ihm die Wohltat des letzten Sacraments verweigert werden würde. – Bitte, wie viele haben Sie im Ganzen, fragte mein Onkel Toby, ich vergesse es immer wieder. – Sieben, gab Dr. Slop zur Antwort. – Potz Tausend! sagte mein Onkel Toby, aber nicht in einem Tone der Befriedigung, sondern in dem der Verwunderung, wie ein Mensch, der in eine Schublade schaut und mehr darin findet, als er erwartet hat. – Potz Tausend, sagte also mein Onkel Toby; Dr. Slop, der ein sehr feines Gehör hatte, verstand meinen Onkel Toby so gut, wie wenn er einen ganzen Band gegen die sieben Sacramente geschrieben hätte. – Potz Tausend, fuhr nun Dr. Slop auf, indem er gewissermaßen meinem Onkel Toby seinen Beweis wieder zurückschleuderte. Gibt es denn nicht auch sieben Haupttugenden, sieben Todsünden, sieben goldene

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