Laurence Sterne: Tristram Shandy (Jubiläumsausgabe zum 300. Geburtstag des Autors) [kommentiert] (German Edition)
auszusprechen und möglichst genau und bestimmt festzustellen, was ich unter jenem Ausdruck verstanden haben möchte; denn ich bin der Meinung, dass es nur von der Nachlässigkeit und dem Eigensinn der Schriftsteller, welche diese Vorsichtsmaßregel verachten, und von nichts Anderem herrührt, – dass alle polemische Schriften über Göttlichkeit nicht so klar und deutlich sind wie die über einen Irrwisch oder sonst einen gesunden Teil philosophischer und naturhistorischer Forschung. Man sollte daher – wofern man nicht die Absicht hat, die Welt bis zum jüngsten Tag zu verwirren – ehe man anfängt, stets eine gute Definition von dem Schlagwort, mit dem man am meisten zu tun hat, geben und daran festhalten – es gewissermaßen wie eine Guinee in Scheidemünze umsetzen. – Wenn dies geschehen ist, – so möge der Vater der Verwirrung einen Untereinander drin machen, wenn er kann; oder in unsere oder des Lesers Kopf einen anderen Sinn hineinbringen, wenn er weiß wie?
In Büchern strengster Sittlichkeit und schärfster Logik wie dasjenige ist, an dem ich schreibe – ist eine Vernachlässigung dieser Art gar nicht zu entschuldigen; und der Himmel ist mein Zeuge, wie sich die Welt schon dafür an mir gerächt hat, dass ich soviele Gelegenheiten zu zweideutigen Auflösungen gegeben, – und mich immer so sehr auf die reine Einbildungskraft meiner Leser verlassen habe.
Hier ist ein Doppelsinn, rief Eugenius, als wir miteinander spazieren gingen, und zeigte dabei mit dem Zeigfinger der rechten Hand auf das Wort »Spalte« im 32. Kapitel dieses Buchs der Bücher, – hier steckt ein Doppelsinn, – sagte er. – Und hier sind zwei Wege, erwiderte ich, indem ich mich scharf gegen ihn kehrte, ein schmutziger und ein reiner – welchen wollen wir einschlagen? – Den reinen, natürlich! erwiderte Eugenius. – Eugenius, sagte ich zu ihm, indem ich vor ihn hintrat und ihm die Hand auf die Brust legte, – erklären – heißt misstrauen. – So triumphierte ich über Eugenius; aber ich triumphierte über ihn wie ein Tor, wie ich immer tue. – Es ist jedoch mein Trost, dass ich kein eigensinniger bin: deshalb erkläre und bestimme ich jetzt eine Nase wie folgt: – wobei ich nur zum Voraus meine Leser, männliche wie weibliche, von welchem Alter, Temperament und Stand sie immer sein mögen, um der Liebe Gottes und ihrer eigenen Seelen willen bitte und ersuche, sich gegen die Verlockungen und Einflüsterungen des Teufels vorzusehen und nicht zu dulden, dass er durch irgend welche Kunst oder List ihnen andere Gedanken in den Kopf setze, als ich es durch meine Erklärung tue; – denn was das Wort Nase anbelangt, so erkläre ich, dass ich in diesem ganzen langen Nasenkapitel und in jedem anderen Teil meines Werks, wo das Wort Nase vorkommt, – mit diesem Wort eine Nase und nichts mehr oder weniger meine.
76. Kapitel
Weil, sagte meine Urgroßmutter und wiederholte die Worte, – Sie eine ganz kleine oder eigentlich gar keine Nase haben, mein Herr. Tod und Verdammnis! rief mein Urgroßvater, und schlug mit der Hand auf seine Nase – sie ist nicht so klein, wie Sie tun! sie ist um einen ganzen Zoll länger als die meines Vaters. – Nun war aber meines Urgroßvaters Nase gerade so wie die Nase aller Männer, Frauen und Kinder, welche Pantagruel auf der Insel Ennasin fand. – Wenn der geneigte Leser den seltsamen Weg kennen lernen will, wie man unter einem so flachnasigen Volke einen Schwager bekommen kann, so muss er eben das Buch lesen; – er selbst wird niemals darauf kommen. [Anmerkung: Siehe Rabelais, Livre IV. Chap. 9.]
Sie hat eine Form wie das Kreuz-Aß, mein Herr.
Um einen ganzen Zoll, fuhr mein Urgroßvater fort, indem er mit Daumen und Zeigefinger auf den Rücken seiner Nase drückte und seine Behauptung wiederholte – um einen ganzen Zoll ist sie länger als die meines Vaters, Madame.
Sie müssen die ihres Onkels meinen, erwidert meine Urgroßmutter.
Mein Urgroßvater war überzeugt. – Er band das Papier wieder auf, und unterschrieb den Artikel.
77. Kapitel
Was zahlen wir da für ein unverantwortlich großes Witwengeding von unserem kleinen Vermögen, mein Lieber? sagte meine Großmutter zu meinem Großvater.
Mein Vater, versetzte mein Großvater, hatte nicht mehr Nase, meine Liebe, als ich auf dem Rücken meiner Hand, – sie war nur markirt.
Nun muss der geneigte Leser wissen, dass meine Urgroßmutter meinen Urgroßvater um 12 Jahre überlebte, so dass mein Großvater diese ganze Zeit
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