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Laurence Sterne: Tristram Shandy (Jubiläumsausgabe zum 300. Geburtstag des Autors) [kommentiert] (German Edition)

Laurence Sterne: Tristram Shandy (Jubiläumsausgabe zum 300. Geburtstag des Autors) [kommentiert] (German Edition)

Titel: Laurence Sterne: Tristram Shandy (Jubiläumsausgabe zum 300. Geburtstag des Autors) [kommentiert] (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laurence Sterne
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nicht umhin zu bemerken, mit welch' behutsamer Miene betrübter Fassung und Feierlichkeit ich dies tat. – Gott! wie verschieden von dem raschen Ruck und wildem Gespritz, womit du, Tristram, das sonst tatest, wenn du in anderer Laune warst – wo du deine Feder hinwarfst – deine Tinte über Tisch und Bücher kleckstest – als ob deine Feder und deine Tinte, deine Bücher und deine Möbel dich nichts kosteten!
     
    73. Kapitel
    Ich will nicht lange mit Ihnen darüber streiten: – aber es ist so; – und ich bin so sehr als möglich davon überzeugt, Madame, dass Mann wie Frau Schmerzen und Kummer (und soviel ich weiß auch ein Vergnügen) nirgends besser ertragen als in einer horizontalen Lage.
    Sobald mein Vater auf sein Zimmer gelangt war, warf er sich in der denkbar wildesten Unordnung auf sein Bett, zugleich aber auch in der jammerwürdigsten Haltung des vom Kummer niedergeschmetterten Mannes, um den je ein mitleidiges Auge eine Träne vergoss. – Während er auf das Bett fiel, fasste die rechte Hand nach der Stirne, bedeckte den grössten Teil seiner Augen und sank langsam mit dem Kopf hinab (wobei der Ellbogen sich nach rückwärts bog), bis seine Nase das Polster fühlte; der linke Arm hing schlaff über das Bett herunter, wobei das Handgelenk auf den Griff des Nachttopfs zu lehnen kam, das unter dem Bettüberwurf hervorsah; – sein rechtes Bein (das linke hatte er gegen den Körper hinaufgezogen) hing halb über die Bettseite herab, wobei die scharfe Kante derselben sein Schienbein traf. – Er fühlte es nicht. Ein tiefer, unerschütterlicher Kummer lagerte sich in jeder Linie seines Gesichts. – Er seufzte einmal – seine Brust hob sich zum öftern – aber er sprach kein Wort.
    Ein alter abgenähter, bordierter und ringsherum mit abgebleichten gesponnenen Troddeln eingefasster Stuhl stand am Kopfende des Bettes, gegenüber der Seite, wo der Kopf meines Vaters lehnte. – Mein Onkel Toby setzte sich darauf.
    Ehe man einen Schmerz verdaut hat, – kommt das Trösten immer zu frühe; – ist er aber überwunden, – so kommt es zu spät; hieraus ergibt sich, Madame, dass es nur eine kaum haarbreite Linie zwischen diesen beiden Zuständen gibt, wo ein Tröster wirken kann. – Mein Onkel Toby befand sich immer entweder auf der einen oder der andern Seite dieser Linie, und pflegte oft zu sagen, er glaube wahrlich, er könnte ebensogut die geographische Länge finden. Als er sich deshalb in den Stuhl setzte, zog er den Vorhang ein wenig zu – und da er stets für Jeden eine Träne bereit hatte, – zog er ein Battistsacktuch hervor – tat einen tiefen Seufzer, – blieb aber ruhig sitzen.
     
    74. Kapitel
    »Es ist nicht Alles Profit, was in den Beutel kommt.« – Obschon mein Vater das Glück hatte, die seltsamsten Bücher auf der Welt gelesen zu haben, und überdies in sich selbst den seltsamsten Gedankengang besaß, womit je ein Mann gesegnet war, so hatte das doch auch die Schattenseite, – dass ihm manchmal daraus die seltsamsten, wunderlichsten Missgeschicke erwuchsen; und das besondere Missgeschick, dem er eben jetzt erlag, war das stärkste Beispiel davon.
    Ohne Zweifel würde das Zerquetschen des Nasenbeins eines Kindes mittelst einer Zange – wenn dieselbe auch noch so wissenschaftlich appliziert worden – einen Jeden unangenehm berührt haben, dem schon das Zeugen eines Kindes so vielerlei Beschwerden gemacht hatte, wie dies bei meinem Vater der Fall war; – doch lässt sich daraus noch nicht das Außerordentliche seines Schmerzes erklären, noch die unchristliche Art rechtfertigen, womit er sich ihm hingab und unterlag.
    Um dies zu erklären, muss ich ihn für eine halbe Stunde auf dem Bette liegen und meinen Onkel Toby in seinem alten befranzten Stuhl neben ihm sitzen lassen.
     
    75. Kapitel
    Das halte ich für eine ganz ungerechtfertigte Forderung – rief mein Urgroßvater, band das Papier zusammen und warf es auf den Tisch. – Nach diesem Überschlag, Madame, besitzen Sie nur 2000 Pfund Vermögen, nicht einen Schilling mehr; – und doch verlangen Sie ein jährliches Witwengeding von 300 Pfund.
    Das kommt daher, erwiderte meine Urgroßmutter, weil Sie nur eine ganz kleine oder eigentlich gar keine Nase haben, mein Herr.
    Ehe ich mich jedoch ein zweites Mal des Wortes Nase bediene, dürfte es, um jedes Missverständnis in dem, was in diesem interessanten Teil meiner Geschichte hierüber gesagt werden soll, zu beseitigen, angezeigt sein, meine eigene Ansicht hierüber

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