Laurence Sterne: Tristram Shandy (Jubiläumsausgabe zum 300. Geburtstag des Autors) [kommentiert] (German Edition)
behagliches Leben beneidet, – Niemand in seinen Ansichten verletzt, – keines Menschen Charakter angeschwärzt, Niemand sein Brot weggegessen! Mit deinem getreuen Trim hinter dir wandeltest du freundlich um den kleinen Kreis deiner Vergnügungen, stiegest Niemand bei Seite, der dir in den Weg kam: für Jedermanns Kummer hattest du eine Träne; – für Jedermanns Not einen Schilling.
Solange ich Jemand bezahlen kann, der das Unkraut beseitigt, soll der Fußweg von deiner Türe nach deinem Rasen nicht überwachsen. Solange die Familie Shandy noch anderthalb Ruthen Land besitzt, sollen deine Schanzen, mein lieber Onkel Toby, nicht zerstört werden.
79. Kapitel
Die Sammlung meines Vaters war nicht groß; dagegen aber merkwürdig; er bedurfte deshalb auch längere Zeit um sie anzulegen; hatte jedoch das große Glück dadurch einen guten Anfang zu machen, dass er Bruscambille's Prolog über lange Nasen fast für nichts erhielt; – denn er gab nur drei halbe Kronen dafür; deren war nur der Umstand Schuld, dass der Mann in der Bude bemerkte, welche ungewöhnliche Begierde mein Vater nach dem Buch zeigte, sobald er es in die Hand bekommen hatte. – Es gibt nicht drei Bruscambille in der Christenheit, sagte der Antiquar, die ausgenommen, die in den Bibliotheken der Liebhaber unauflöslich fest sitzen. Mein Vater warf das Geld blitzschnell hin – steckte den Bruscambille in seinen Busen; – und eilte damit so hastig von Piccadilly nach Colemanstreet, als ob er einen Schatz heimtrüge; den ganzen Weg über ließ er seine Hand nicht von dem Bruscambille.
Diejenigen welche noch nicht wissen, ob Bruscambille männlichen oder weiblichen Geschlechts ist – insofern eine Abhandlung über lange Nasen ebensogut von dem einen wie von dem andern Geschlecht geschrieben werden kann, – werden nichts gegen das Gleichnis einzuwenden haben, wenn ich sage, dass als mein Vater zu Hause angelangt war, er sich mit Bruscambille in derselben Weise erlustigte, wie zehn gegen eines zu wetten ist, dass der geneigte Leser mit seiner ersten Geliebten tat: – nämlich von Morgens bis Abends; was zwar für den Verliebten äußerst ergötzlich sein mag – für die Umgebung jedoch wenig oder gar nicht unterhaltend ist. – Bemerken Sie wohl, ich verfolge das Gleichnis nicht weiter; – das Auge meines Vaters war grösser als sein Appetit, – sein Eifer grösser als sein Können, – er kühlte sich ab – seine Neigungen wurden geteilt; – er verschaffte sich Prignitz, kaufte Scroderus, Andrea Paraeus, Bouchets' Abendunterhaltungen; und vor Allen den großen und gelehrten Hafen Slawkenbergius; über den ich künftig noch viel zu sagen haben werde, – weshalb ich jetzt nichts von ihm sage.
80. Kapitel
Unter all den Abhandlungen, die sich mein Vater zur Unterstützung seiner Hypothese mit Mühe zu verschaffen wusste und studierte, gab es nicht eine, die ihm anfangs eine grausamere Enttäuschung bereitet hätte, als der berühmte Dialog zwischen Pamphagus und Cocles über die vermiedenen Verwendungen und zeitgemäßen Anwendungen langer Nasen, welcher Dialog aus der keuschen Feder des großen und ehrwürdigen Erasmus stammt. – Nun, mein teures Mädchen, gestatten Sie ja nicht, dass sich Satan in diesem Kapitel irgend eines hochgelegenen Punktes bemächtige, um von da aus Ihre Phantasie zu besteigen; oder wenn es seiner Flinkheit gelingt doch hinaufzukommen, so bitte ich Sie inständig, springen Sie, spritzen Sie, hüpfen Sie, steigen Sie, bocken Sie wie ein ungesatteltes Füllen – und schlagen Sie aus in langem oder kurzem Ansatz, bis Sie wie Kitzelmaiers Ross einen Bügel oder einen Gurt zerreissen und Seine Herrlichkeit in den Kot werfen. – Umzubringen brauchen Sie ihn nicht.
Aber bitte, wie war es denn mit Kitzelmaiers Ross? – Dies mein Herr, ist eine so schmähliche und ungebildete Frage, als ob Sie gefragt hätten, in welchem Jahre (ab urb. cond.) der zweite punische Krieg ausgebrochen sei? – Was es mit Kitzelmaiers Ross war? – Lesen Sie, lesen Sie, lesen Sie, mein ungelehrter Leser! – lesen Sie! – oder bei der Gelehrsamkeit des großen Saint Paraleipomenon – ich sage Ihnen zum Voraus, Sie täten besser daran, Sie legten das Buch gleich bei Seite; denn ohne viel Lesen, worunter ich wie Sie wissen, viel Gelehrsamkeit verstehe, werden Sie die Moral eines marmorierten Blattes (das scheckige Sinnbild meines Werkes!) ebenso wenig verstehen als die Welt mit all ihrem Scharfsinn im Stande war, die vielen Ansichten,
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