Laurins Vermächtnis (German Edition)
die Du alleine lösen kannst, dann würdest Du das jetzt gerade tun. Brauchst Du Hilfe?“
„Kann schon sein“, sagte Matthias. „Aber es ist eine komplizierte und – ich fürchte – hässliche Geschichte. Und Du hast ja wahrscheinlich Deine eigenen Probleme.“
„Verdammt noch mal!“, platzte Manfredo Fratelli auf einmal los und knallte seine Tasse auf den Tisch.
Matthias Jäger erschrak. „Was denn?“
„Hey, Mattes, hör‘ zu: Ich bin ein Fleischfresser, Händeschmutzigmacher und Klartextreder. Wenn ich ‚ficken‘ meine, sage ich ‚ficken‘ und benutze kein Wort aus dem Biologiebuch. Ich weiß, was ein Konjunktiv ist, benutze ihn aber nicht.“
Matthias‘ Gesichtsausdruck war ein einziges ‚Hä?‘
„Gut, lass‘ es mich anders ausdrücken: Wenn Du mir etwas sagen willst, dann sag‘ es deutlich und geradeaus – so, dass ich es verstehe. Und dann werde ich Dir entweder antworten, dass Du mich am Arsch lecken kannst, oder ich werde Dir helfen. Ich halte übrigens, solange es Dich betrifft, die zweite Möglichkeit für die wahrscheinlichere.“
Matthias Jäger fühlte sich geradezu beschämt. Er hatte seinen Kumpel Manfredo Fratelli offenbar unterschätzt, dessen Haltung und vielleicht auch dessen Intellekt.
Er atmete tief durch. „Du hast Recht. Ich könnte Deine Unterstützung brauchen. Krieg‘ ich noch ’nen Cappuccino?“
Manfredo grinste, schnappte sich die beiden Tassen und ging wieder in die Küche.
Nachdem Matthias Jäger alles erzählt hatte, was in den vergangenen beiden Tagen geschehen war, stand Manfredo Fratelli auf und ging zum Fensterbrett, wo ein Tabakbeutel und Zigarettenpapier lagen.
Er nahm etwas von dem fein geschnittenen, dunklen Tabak aus dem Lederbeutel und drapierte es auf dem Papier. „Das ist ...“ Er hielt kurz inne, um die Gummierung des Papiers zu befeuchten. „Das ist eine Scheißgeschichte. Nicht nur, dass es so aussieht, als ob Dein Großvater Dreck am Stecken hatte – ich weiß, was er Dir bedeutet hat. Außerdem scheinen mir Paul Moroder und erst recht Dein Bruder nicht ganz koscher.“
„Wirst Du mir helfen“?, fragte Matthias.
„Hab‘ ich doch gesagt.“
„Dieses komische Schloss – das in der Schreibtischschublade – kriegt man so was auf, ohne, dass es hinterher einer merkt?“
Manfredo bellte wieder sein Kinomafioso-Lachen und blies den Rauch der filterlosen Zigarette in die Luft. „Ist das eine moralische, eine juristische oder eine technische Frage?“ Bevor Matthias antworten konnte, sprach er weiter: „Ob das moralisch in Ordnung ist, musst Du entscheiden, was das juristisch bedeutet, ist mir scheißegal und technisch ist es kein Problem.“
„Kein Problem?“
„Hey – ich bin Mechaniker.“
Auf der Fahrt zurück nach Tiers steigerte sich Matthias Jägers Entschlossenheit. Manfredos selbstverständliche und unaufgeregte Bereitschaft, zu helfen, mobilisierte ihn. Wann genau und wie genau, war noch offen, aber fest stand: Er und sein Freund (das Wort „Kumpel“ erschien ihm jetzt ganz unangemessen, er schämte sich sogar, in ihm bisher nichts anderes gesehen zu haben) würden sich daran machen, das Geheimnis der Familie Jäger aufzuklären. Schließlich mischte er sich nicht in anderer Leute Angelegenheiten, sondern suchte nach Klärung eines wichtigen Teils seiner Identität – nichts weniger war sein Großvater gewesen. Zugegeben, er hatte angefangen, sich etwas zu sehr für den Inhalt der Schreibtischschubladen seines Bruders zu interessieren. Aber war das nicht geradezu ein Akt der Notwehr, wo Rainer ihm doch ganz offensichtlich etwas vorenthielt, was er ihm nicht vorenthalten durfte? Und während er die Landstraße entlangfuhr, die parallel zum Eisack und zur Autobahn Richtung Osten führte, überkam ihn aufs Neue diese von der Situation seltsam unberührte Vorfreude auf die Motorradtour des kommenden Tages.
Als Matthias wieder am Jägerhof ankam, schaute er mit einem bislang nicht gekannten Gefühl auf das Haus. Was er sah, war nicht mehr nur sein Zuhause, es war ein Schauplatz geworden.
„Nur eine Runde zum Aufwärmen, ja? Gestern warst Du, ohne ein Sterbenswörtchen zu sagen, den ganzen Tag weg und heute dauert Deine Aufwärmrunde ein paar Stunden!“ Greta war aufgebracht, man könnte durchaus auch sagen: unsouverän, als Matthias zur Tür hereinkam. Sie saß, die Beine übereinandergeschlagen, in einem der beiden Sessel, die ursprünglich mal in der Bibliothek gestanden hatten, bevor Matthias sie Rainer
Weitere Kostenlose Bücher