Lauschangriff - Im Visier der Feinde: Thriller (German Edition)
Ibrahim Sharif«, sagte er schließlich. »Und jetzt?«
»Wir sind damit beauftragt, Sie vor dem Berufungsgericht in Washington D.
C. zu vertreten«, erwiderte Myerson. »Dazu müssen wir aber zuerst Ihre Geschichte hören, damit wir die Eingabe vorbereiten können. Es wird von Ihnen weder verlangt, vor Gericht auszusagen, noch wird man Sie ins Kreuzverhör nehmen.«
Ibrahim zuckte mit den Achseln. »Werde ich mich für die angeblichen Verbrechen, die man mir zur Last legt, zu verantworten haben?«
»Nein. Wir werden Protest gegen Ihre langjährige Inhaftierung einlegen, die ohne Gerichtsurteil zustande gekommen ist. Wir wollen, dass das Urteil des Militärtribunals aufgehoben wird,bei dem Sie für schuldig befunden wurden, in Kabul durch einen Sprengstoffanschlag 15 US-Marines und zwei Navy-SEALs getötet zu haben.«
»Dafür hatten die keine Beweise«, grummelte Ibrahim.
»Haben Sie dieses Verbrechen begangen?«
»Nein. Ich bin und war unschuldig. Ich habe mich ja kaum in Kabul aufgehalten.«
»Haben die Amerikaner Ihre Dokumente, Ihren Pass, Ihre Kreditkarten?«
»Ich habe keine Dokumente.«
»Welche Indizien gibt es, dass Sie sich in der Nähe des Lasters aufgehalten haben?«
»Keine Ahnung. Mir gegenüber wurde nie etwas in der Art erwähnt.«
»Hatten Sie bei der Verhandlung vor dem Tribunal einen Rechtsbeistand?«
»Nein. Ich war allein. Ansonsten nur Amerikaner, Richter und Offiziere. Und dann haben Sie mir gesagt, ich müsste hier in Guantanamo meine lebenslange Haft verbüßen.«
»Wo wurden Sie gefangen genommen? Offensichtlich nicht in Kabul.«
»Nein. In meinem Heimatdorf in den Bergen, Hunderte Kilometer davon entfernt. Sie sind einfach reingestürmt und haben mich mitgenommen.«
»Haben Sie sonst noch jemanden mitgenommen?«
»Ja. Meinen Freund Yousaf Mohammed.«
»Ist er ein Terrorist? Ein Dschihadist oder ein Freiheitskämpfer für El Kaida oder die Taliban?«
»Yousaf? Der könnte keiner Fliege etwas zuleide tun. Aber er ist geschlagen und dann mit mir in den Hubschrauber gezerrt worden. Und dann haben sie uns hierher nach Guantanamo gebracht.«
»Wurden in Ihrem Heimatdorf belastende Indizien gegen Sie gefunden?«
»Nur ein paar Kisten mit Dynamit. Die Taliban haben im ganzen Dorf Sprengstoff deponiert. Aber ich habe das Dynamit nie angerührt. Und ich war auch nie in dem Haus, in dem man es gefunden hat.«
»Wo ist Yousaf jetzt?«
»Drei Türen weiter.«
»Gab es gegen ihn belastende Indizien?«
»Das weiß ich nicht. Er hatte ein eigenes Tribunal. Wo er wegen irgendetwas schuldig gesprochen wurde. Genau wie ich. Und zu lebenslanger Haft verurteilt wurde.«
»Ibrahim, von jetzt an sind wir Ihre Anwälte. Wir werden dafür bezahlt, Sie nach Hause zu bringen.« Renton reichte ihm einen Zettel, auf dem seine Kabuler Adresse verzeichnet war. »Hier wohnen Sie«, sagte er so leise, dass es die Wachen nicht mitbekamen. »Das brauchen wir für die Gerichtsunterlagen. Wir werden uns wiedersehen. Davor müssen wir aber noch unbedingt mit Yousaf sprechen.«
Ibrahim nahm den Zettel und nickte. Biff Ransom sperrte die Zelle auf, ließ die Anwälte hinaus, verriegelte die Tür von außen und führte ihn in die Zelle von Yousaf Mohammed.
James Myerson sah den schmalen Mann mit der Hakennase an der hinteren Wand stehen. Da allein dessen Anblick ihn nervös machte, beschloss er, die einleitenden Fragen zur Identität des Insassen noch im Gang zu stellen.
Yousaf hatte das Gespräch in Ibrahims Zelle mitbekommen und für sich bereits entschieden, ebenfalls zu kooperieren. Es konnte ihm ja nichts geschehen, zumindest nichts Schlimmeres als das, was er hier sowieso schon erlebt hatte. Wie sein El-Kaida-Gefährte hatte auch er nichts zu verlieren.
»Sind Sie Yousaf Mohammed?«, fragte Tom Renton durch den Draht.
»Ja.«
»Dann werfen Sie mal einen Blick auf den Zettel und sagen Sie mir, ob Ihnen die Adresse etwas sagt.«
Yousaf sah zu Renton, der ihm lächelnd zunickte und gleichzeitig zu verstehen gab, dass es wichtig sei und er ihm trauen könne.
Wie aus der Pistole geschossen antwortete Yousaf: »Ja, Sir. Da wohne ich. In Peshawar, in der Nordwestlichen Grenzprovinz.«
Sein scharfer Verstand – nicht umsonst hatte er einen pakistanischen Abschluss als Chemieingenieur erworben und an der Universität in London studiert – funktionierte noch. Fast so gut wie seine Intuition, die ihm bereits mehrmals das Leben gerettet hatte.
James Myerson wandte sich an Staff Sergeant Ransom
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