Lauschangriff - Im Visier der Feinde
zehn Minuten die Polizei am Hals.
»Schieb weiter«, sagte Ibrahim. Er ging nun neben dem Einkaufswagen, sodass er in seiner Tasche nach der Pistole tasten konnte, die er von Mike und den Jungs von der Schläferzelle erhalten hatte. Auf ihrem Parkplatzabschnitt, weit vom Haupteingang entfernt, war nur wenig los. Nur zwei der acht Parkplätze in einer Reihe waren besetzt. Eine 1,5 Meter hohe Betonmauer trennte das Gelände von der Straße dahinter.
Ibrahim ließ die Pistole in seine Jackentasche gleiten und half mit, den Wagen zu einem der geparkten Fahrzeuge zu schieben. Dort warteten sie, ohne sich auch nur einmal zu den Polizisten umzudrehen, die noch immer beim alten Dodge standen.
Nach fünf Minuten traf ein weiterer Streifenwagen ein. Die Polizei hatte beschlossen, den Supermarkt abzusperren und jeden zu befragen, der noch beim Einkaufen war. Die Leute auf dem Parkplatz interessieren uns nicht. Wären dieser Ibrahim und sein Kumpel Yousaf rausgekommen, wären sie auf ihren Pick-up zumarschiert. Und wenn sie geflüchtet wären, hätten wir sie gesehen.
Ibrahim war der Verzweiflung nahe, als endlich Mr. Jed Ridley, ein 60-jähriger Bankmanager und lebenslanger Einwohner von Bangor, langsam auf sie zukam. Er blieb bei einem der beiden geparkten Wagen stehen, schloss auf und packte seine Einkäufe in den Kofferraum.
Ibrahim wartete, bis der Mann hinter dem Steuer seines dunkelroten Chevrolets Platz genommen hatte, bevor er an die Seitenscheibe klopfte.
»Sir«, sagte er, »ich glaube, Ihr Hinterreifen …«
Mr. Ridley öffnete die Seitenscheibe, und Ibrahim verpasste ihm einfach eine Kugel zwischen die Augen. »Zieh ihn raus, wir laden ihn auf den Rücksitz«, sagte er. »Komm schon, Yousaf, fass mit an.«
Yousaf war überrascht, wie wenig Lärm der Schuss verursacht hatte, und völlig perplex über den kaltblütigen Mord seines Gefährten.
Sie hievten den Toten auf die Beine, so, als hätte dieser einen kleinen Schwächeanfall erlitten, marschierten mit ihm die zwei Schritte zur Fondtür, stießen ihn hinein und rollten ihn nach unten auf den Boden. Darüber packten sie ihre Einkäufe.
Mr. Ridley war unter dem Salat und dem Gemüse verschwunden. Ibrahim klemmte sich hinter das Lenkrad und steuerte die nächste Ausfahrt an. Mr. Ridleys Chevrolet nahm den Weg über die Main Street nach Süden zur Straße an die Küste. Es war mittlerweile Spätnachmittag geworden, bald würde die Abenddämmerung hereinbrechen. Der Chevy musste aufgetankt werden, und auf den Straßen im dünn besiedelten Maine war außerhalb der Saison nicht viel los.
Die Polizei hatte den gesamten Supermarkt abgeriegelt. Keiner konnte mehr hinein, keiner mehr heraus. An allen Hinterausgängen sowie den Automatiktüren standen Beamte. Die erste halbe Stunde brachte die Polizei damit zu, Frauen und Kinder von den männlichen Kunden zu trennen und sie gehen zu lassen. Es folgten Männer, die die Polizisten persönlich oder dem Namen nach kannten. Auch sie wurden sofort freigelassen. Die Beamten begleiteten sie noch zu ihren Wagen, sahen dabei zu, wie sie sie aufsperrten und wegfuhren.
Nach Abschluss dieser Prozedur stand nur noch ein einsamer, verschlammter und herrenloser Dodge auf dem Parkplatz.
Es war bereits 19 Uhr, und Mrs. Barbara Ridley gehörte zu den mehreren Dutzend Personen, die bei der Polizei angerufen und sich nach ihren Familienangehörigen und Freunden erkundigt hatten. Ihr wurde wie den anderen gesagt, dass es aufgrund eines Polizeieinsatzes im Supermarkt zu erheblichen Verzögerungen kommen könne, sie solle sich aber keine Sorgen machen, es dauere einfach seine Zeit, sei aber eine reine Routineangelegenheit.
Um 21 Uhr jedoch, acht Stunden nachdem Ibrahim Mr. Ridley erschossen hatte, gab es keinen Zweifel mehr, dass der Mann vermisst wurde. Er stand noch nicht auf der Liste der von der Polizei kontrollierten Personen. Zwei Beamte fuhren zu seiner Adresse und fanden eine völlig aufgelöste Ehefrau vor.
Um 22 Uhr wurde der Chevy zur Fahndung ausgeschrieben, der um diese Zeit bereits am nordöstlichen Ende der Mount Desert Island in einem dichten Kieferngehölz, von der Straße aus nicht einsehbar, abgestellt worden war, fünf Kilometer von Bar Harbor und 70 Kilometer von Bangor entfernt. Es sollte zwei Tage dauern, bis der Wagen gefunden wurde.
Ibrahim und Yousaf hatten beschlossen, in der Nacht zu Fuß in die Stadt zu gehen und den Fährhafen zu suchen. Zu ihrem Glück herrschte in diesem Jahr an der Nordostküste ein
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