Lauschangriff - Im Visier der Feinde
damit beauftragt worden war, Guantanamo-Insassen juristisch zu vertreten. Und den Bruchteil einer Sekunde später erfuhren sie, dass seine angedachte Vorgehensweise »perfekt« sei. Was alle vier zu einem trockenen Lächeln nötigte, da sie wussten, dass in London ein ähnlicher Lieferwagen geparkt war, der in den Büroräumen von Howard, Marks and Cuthbert eine ähnliche Abhöroperation durchführte.
Mit dem einen Unterschied: Die Mossad-Leute in London wussten, dass das Original-Fax aus Saudi-Arabien gekommen war, auch wenn sie den genauen Ursprungsort nicht angeben konnten.
Ein Aspekt der Operation allerdings verband die beiden mobilen Einsatzteams: die sofortige Identifizierung der beiden Männer, mit deren Freilassung Josh Epstein betraut worden war – die bislang namenlosen Yousaf Mohammed und Ibrahim Sharif.
Der Mossad war im Besitz ihrer Namen und unvollständiger Biografien. Ebenfalls wusste man, dass sich Ibrahim und Yousaf in Guantanamo mit zwei weiteren Insassen angefreundet hatten.
Sie besaßen Personenbeschreibungen und geschmuggelte Satellitenaufnahmen des Torhüters Ben al-Turabi und seines palästinensischen Kumpels Abu Hassan Akbar. Nur der Mossad wusste mit Bestimmtheit, dass diese vier Männer miteinander eng in Beziehung standen, und natürlich fanden sie sich auch auf der CIA-Liste der 14 gefährlichsten Dschihad-Mitglieder wieder.
Die Männer im blauen Lieferwagen sandten die neuen Erkenntnisse zur Mossad-Abteilung unterhalb der israelischen Botschaft; Finger flogen über Computertastaturen, Bilder wurden mit Namen versehen, Informationen zugefügt.
Die Mienen waren ernst. Sechs Mitarbeiter im Botschaftskeller hatten Freunde, Bekannte oder Verwandte bei Ben und Abus Anschlägen im Park-Hotel in Netanya und auf die Bar-Mitzwain Be’er Scheva verloren. Ihrer Meinung nach gehörten Yousaf, Ibrahim, Ben und Abu auf der Stelle exekutiert, aber nie und nimmer vor ein US-Berufungsgericht.
Schon am nächsten Tag würden Josh Epsteins Schakale Guantanamo umkreisen, würden Pläne schmieden und sich unanfechtbare Gründe zurechtlegen, warum die vier Gefangenen nie in ihrem Leben etwas Unrechtes getan hätten und welch hartes Schicksal ihnen die amerikanische Justiz auferlegt hatte.
Zahllose Gründe würden angeführt, warum der arme Yousaf, der gebrochene Ibrahim, der untadelige Ben und der unschuldige Abu sofort und auf der Stelle freigelassen werden müssten, versehen mit einer umfassenden Entschuldigung des Weißen Hauses und einer Entschädigungszahlung, die ausreichen würde, damit sie die nächsten zehntausend Jahre wie Maharadschas leben konnten.
Um 16.15 Uhr ließ Joshua Epstein sein Team im innersten Sanktuarium seiner Kanzlei antreten, dem sichersten Raum des gesamten Gebäudes – wäre nicht das Lauschgerät gewesen, das im Fuß der Schreibtischlampe angebracht war, eine Mini-Wanze, die so stark war, dass sie die US-Baseball-Ergebnisse auch zur Internationalen Raumstation hätte übertragen können.
James Myerson, ein 35-jähriger Neuengländer aus Gloucester, Massachusetts, würde den Fall leiten. Myerson war zum Partner gemacht worden, nachdem er zwei Jahre lang sagenhafte Honorare eingefahren hatte. Der unglaubliche Ehrgeiz dieses unverheirateten Yale-Absolventen hob ihn über die anderen Mitarbeiter heraus und sorgte dafür, dass die wichtigsten Anfragen aus der arabischen Welt immer zuerst ihm angeboten wurden.
Übung macht den Meister, und so lernte Myerson mit jedem Monat, den er für seine arabischen Mandanten tätig war, deren Seele immer besser kennen. Ihm war im Lauf der Zeit die Freilassung mehrerer Guantanamo-Gefangener geglückt, weshalb mittlerweile arabische Vertreter meistens gleich nach Myersonverlangten. Jetzt wurde ihm der wichtigste Fall anvertraut, den er jemals ausgefochten hatte.
»Du musst diese Typen aus dem Gefängnis holen«, schärfte Epstein nach dem Briefing seinem Junior-Partner noch einmal ein. »Damit erwerben wir uns die Dankbarkeit und den Respekt des gesamten Nahen Ostens. Vorgehensweise wie immer, wir halten uns bedeckt, gründliche Recherchen, unwiderlegbare Argumente.«
Die Mandanten, mit deren Vertretung er betraut worden war, hießen Yousaf und Ibrahim. Nur der mithörende Mossad wusste zu diesem Zeitpunkt, dass seine Mandantenliste sich bald verdoppeln würde. Denn El Kaida würde sicherlich darauf drängen, auch die beiden Palästinenser Ben und Abu aus Guantanamo loszueisen.
Der dritte im Raum war Tom Renton, der 29-jährige Sohn
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