Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lauter Bräute

Lauter Bräute

Titel: Lauter Bräute Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Glemser
Vom Netzwerk:
Miß Martin, welche die Abteilung Public Relations leitete und für die ich jetzt wohl arbeiten würde, wenn ich nicht Miß Ponsonbys süßen Reden zum Opfer gefallen wäre; und Mr. Carroll, dem solche Dinge wie Verkaufswesen, Personalwesen und Kundendienst unterstehen.
    Wenn man Mr. Carrolls Namen erwähnte, senkte man unwillkürlich die Stimme zum Flüstern — nicht seiner Stellung, sondern seines Gesundheitszustandes wegen. Jeder im Hause wußte, daß er ein sehr kranker Mann war. Natürlich, wer die Abteilung Kundendienst unter sich hat, muß wissen, welch Unheil ihm blüht; und dies hatte Mr. Carroll vor ungefähr einem halben Jahr in Form eines Herzanfalls ereilt, der nach allem, was man hörte, fast tödlich verlaufen wäre. Der arme Mann hatte erst vor kurzem wieder angefangen zu arbeiten, und es wurde behauptet, daß er jedesmal, wenn er einen Brief diktierte, Sauerstoff zugeführt bekam, und daß niemand ihm gegenüber das Wort Kundendienst auch nur in den Mund nehmen durfte, weil die Gefahr bestand, daß er mit einem neuen Herzanfall zu Boden gehen und sein Leben unter seinem fast drei Meter langen Mahagoni-Schreibtisch aushauchen würde.
    Als ich vor seinem Büro ankam, war ich selbst dem Zusammenbruch nahe. Wie die Albacinis und ihre Freunde ihn gefunden hatten, mochten die Götter wissen. Vielleicht hatten sie das Abteilungsverzeichnis neben den Fahrstühlen gelesen und die unheilvolle Zeile Kundendienst, 12. Stock, entdeckt. Vielleicht hatte es sie auch rein aus Instinkt zu ihm gezogen, so wie es die Schwalben nach Capistrano zieht. Jedenfalls waren sie da, der ganze dichte Schwarm. War es überhaupt möglich, daß Mr. Carroll einen Kundendienst diesen Ausmaßes überlebte? Und wenn er zusammenbrach, wer würde dann für sein Hinscheiden verantwortlich sein? Miß D’Arcy Evans, ehemals Brautausstattungen.
    Zum zweitenmal an diesem Tage bahnte ich mir einen Weg durch die Menge murmelnder Frauen. Gott sei Dank, Mr. Carroll war noch am Leben — und ihm war eigentlich gar nicht anzumerken, daß er einen Herzanfall hinter sich hatte: er sah gesund, gebräunt und sehr streng aus.
    »Das ist die Person«, sagte Mrs. Albacini anklagend, als ich erschien, und anscheinend brauchte sie gar nichts mehr zu sagen; das hatte sie offenbar bereits alles hinter sich gebracht. Sie stand da und fixierte mich schweigend, während die Tochter an ihrer Seite laut schluchzte.
    »Miß Evans«, begann Mr. Carroll, »Mrs. Albacini, eine alte und geschätzte Kundin des Hauses, hat mir mitgeteilt, daß Sie sich äußerst nachlässig gezeigt haben, was die Beschaffung der Brautausstattung für ihre Tochter angeht. Miß Albacini und ihre Brautjungfern — «
    »Zehn Brautjungfern!« rief Mrs. Albacini.
    »- - - - Miß Albacini und ihre zehn Brautjungfern kamen verabredungsgemäß um vierzehn Uhr dreißig zur Anprobe, und Sie teilten Mrs. Albacini ruhig mit, daß Sie die Kleider nicht finden können — «
    »Sie hat sie verloren!« schrie Mrs. Albacini. »Einzig durch ihre Nachlässigkeit hat sie sie verloren! Die Hochzeit ist nächste Woche, und wir werden alle blamiert sein! Meine Tochter kann ja keinem Menschen mehr unter die Augen treten! Sie wird zum Gespött!«
    »Es handelt sich hier um eine sehr ernste Angelegenheit«, fuhr Mr. Carroll fort. »Fellowes sind stolz auf ihren Kundendienst, ganz besonders gegenüber geschätzten Kundinnen wie Mrs. Albacini. Was haben Sie dazu zu sagen, Miß Evans?«
    Nun, Neues konnte ich nicht sagen, nur dieselbe, alte Geschichte wiederholen. »Mr. Carroll, die Kleider wurden geliefert. Sie sind hier im Hause. Fast meine gesamte Abteilung sucht danach. Es tut mir außerordentlich leid, daß Miß Albacini und ihre Begleitung warten müssen, aber ich bin überzeugt, daß wir die Kleider jeden Augenblick finden werden.«
    Ich hätte ebensogut von einem Manuskript ablesen können, denn im selben Augenblick begann sich die Situation mit überraschender Schnelligkeit zu verändern.
    »Miß Evans«, hob er mit unheilverkündender Stimme an, offenbar im Begriff, mir den Gnadenstoß zu versetzen; doch noch ehe erweitersprechen konnte, kam seine Sekretärin, ein Mädchen namens Keeler, in sein Büro gestürzt, kurvte um den Schreibtisch herum und flüsterte ihm etwas Erfreuliches ins Ohr. Sein Gesichtsausdruck veränderte sich. Seine Augen begannen zu strahlen. Miß Keeler trat bescheiden beiseite, und er hob Schweigen gebietend die Hand. »Meine Damen«, lächelte er. »Meine Damen.«
    Alles blickte

Weitere Kostenlose Bücher